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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1985/0236
der Qualm von allen möglichen Sorten Tabak, nur nicht von den besten — der Leser
wird zugeben, daß es in dieser Lage eine denkbar schwere Aufgabe ist, gegen das Monopol
zu sprechen. Ich habe diese Aufgabe erfüllt. Alles umsonst!"

In seiner verzweifelten Lage habe er versucht, in dem schönen Geschlecht einen
Bundesgenossen zu finden, da an einzelnen Orten die Männer ihre Frauen
mit in die Versammlung brachten. Als er einer jungen und intelligenten Wirtin
nach dem Herzen geredet und diese ihm versichert hatte, daß mindestens vier
Fünftel der Stimmen im Dorf ihm gehörten, mußte er erleben, daß er im Dorf
kaum den vierten Teil der Stimmen erhalten hatte: „In diesem verflixten
Wahlkreis haben also nicht einmal mehr die Weiber Einfluß!"

Wer in München studiert hatte und nun in Frankfurt zu Hause war, dem mußte
die damalige bäuerliche Mentalität schon erhebliche Schwierigkeiten bereiten
:

„Was in einem Wahlkampf auf dem Lande sehr unangenehm ist, das ist der Umstand,
daß der Kandidat in vielen Fällen absolut außer Stande ist, die Stimmung der Wähler
zu erkennen. Gewöhnlich sitzen sie da wie Götzenbilder, an deren marmorner Ruhe jede
Belehrung, jede schlagende Ziffer, jedes Pathos, ja jeder schlechte Witz wirkungslos
abprallt. Der Redner müht sich eine Stunde, zwei Stunden ab, er versucht bald diese,
bald jene Saite anzuschlagen, und schließlich, wenn er schweißtriefend zu Ende ist und
mit einer herzbewegenden Phrase geendet hat, da regt sich keine Hand und kein Fuß:
der Redner wird nicht ausgezischt und nicht ausgetrampelt, aber auch nicht beklatscht
und nicht mit Bravo überschüttet. Unheimliche Stille; kein Zug in den ehernen Mienen
der Zuhörer zeigt, ob sie den Vortrag billigen oder verurteilen. Erst der Wahltag gibt
darüber ziffermäßigen Aufschluß. Es ist unter der Würde dieser Bauern, ihren Beifall
oder ihr Mißfallen anders als schriftlich durch Stimmzettel auszudrücken."

Hörth analysierte noch etliche Seiten des bäuerlichen Verhaltens bei einer Wahl und
fand dann schließlich an seiner sonst verfehlten Kandidatur doch etwas Gutes: mancherlei
gesundheitliche Beschwerden waren verschwunden, die auf Mangel an Bewegung
und Abhärtung zurückzuführen waren: „Mein Magen kann jetzt, wie man zu sagen
pflegt, Schuhnägel vertragen, und ich bin gestählt gegen jede Zugluft, gegen jede
Unbill der Witterung. Ich freue mich außerordentlich, für die leidende Menschheit ein
neues Heilmittel entdeckt zu haben, und ich bin uneigennützig genug, kein Patent darauf
zu nehmen, sondern es unentgeltlich aller Welt mitzuteilen. Mein Mittel gegen Magenschwäche
und Geneigtheit zur Erkältung lautet vollständig: ,Recipe: Eine zweiwöchige
Reichstagskandidatur, jeden Tag zwei Reden an Orten, die mindestens zwei Stunden
auseinander liegen, jede Rede anderthalb Stunden lang, und wenn der Appetit
kommt, essen und trinken, was da ist. Probatum est.' Ich muß indeß aufrichtig gestehen
, daß ich das Rezept nicht wiederholen möchte. Lieber will ich mir die nötige Bewegung
durch Holzspalten, Steinklopfen oder Karrenschieben verschaffen."

Im fünfzigsten Jahr nach 1848

Auf die Feier des 50. Jahrestages der Revolution hatte sich die Volkspartei
schon frühzeitig vorbereitet. 1896 regte Professor Quidde auf dem Parteitag
in Ulm einen Wettbewerb für eine volkstümliche Darstellung der Bewegung

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