Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1985/0241
men ließ, waren von fremder Hand geschrieben. Vor einigen Tagen benachrichtigte
mich sein letzter Arzt Dr. Wörner, Hansjakob habe vor einiger Zeit einen kleinen
Schlaganfall erlitten; es sei etwas besser geworden, aber der Schlaganfall habe sich wiederholt
, und nun gehe es der Auflösung entgegen. Der Neunundsiebzig — Jährige ist
nach getaner Arbeit sanft entschlummert.

Das Bild von Hansjakobs Persönlichkeit und literarischem Schaffen habe ich zu seinem
siebzigsten Geburtstag (19. August 1907) in diesem Blatte gezeichnet. Ich möchte ihm
heute nur wenige Striche anfügen, zugleich aber wegen der persönlichen Note, die ich
ausnahmsweise einmal anschlage, um Entschuldigung bitten. Ich habe Hansjakob vor
einem halben Jahrhundert kennengelernt: als ich Student der Theologie und Philosophie
und Insasse des Konvikts in Freiburg war, sah ich ihn, wenn er, der .lange Hansjakob
', wie er schon damals hieß, als Priester und angehender Professor zum Besuch des
Konviktsdirektors und späteren Bischofs Kübel kam. Persönlich traten wir uns erst
fünfzig Jahre später nahe, als er die Staatsdiener-Laufbahn und die Politik aufgegeben
hatte und als einfacher Pfarrer zu Hagnau am Bodensee neben der Seelsorge sich der
Schriftstellerei widmete. Seine Erstlinge waren, nach einigen historischen Schriften, Jugenderinnerungen
und Beschreibungen von Reisen, die er nach Holland, Belgien und
Frankreich gemacht hatte. Ich konnte sie in der .Frankfurter Zeitung' günstig besprechen
, und als er einmal nach Frankfurt kam, besuchte er mich. Von da an begann zwischen
uns ein Verhältnis, das man zwar nicht als Freundschaft in strengem Sinne des
Wortes bezeichnen kann, das aber doch manches von ihr aufwies. Wir waren halbe
Landsleute, beide Schwarzwälder, beide ursprünglich zu gleicher Laufbahn bestimmt.
Ich schätzte an ihm das literarische Talent, seine knorrige Eigenart, das Volksmäßige
seines Charakters, seine Liebe zur Natur und Freiheit, seine Aufrichtigkeit, seinen Humor
. Was uns trennte, war, daß unsere Weltanschauungen in entgegengesetzten Richtungen
gingen. Aber wir achteten sie gegenseitig. Niemals machte er den geringsten
Versuch, mich zu bekehren, und auch ich hütete mich davor, mehr Zwiespalt in seine
Seele zu werfen, als ohnehin schon drin war. Es war ein tragisches Verhängnis, daß gerade
dieser Mann mit dem ausgeprägten Freiheitswillen katholischer Priester werden
und es bis an sein Lebensende bleiben mußte. Das läßt sich nur so erklären, daß die Eindrücke
seiner Kindheit, seiner frommen Erziehung und später des Priestertums eben zu
stark waren, als daß die Ergebnisse der Verstandestätigkeit und der Lebenserfahrungen
gegen sie aufkommen konnten. Aber ich weiß, daß er unter dem Gegensatze schwer
litt; Briefe, die er mir schrieb, bezeugen es. Besonders litt er, als seine Vorgesetzten und
Amtsbrüder auch die leisesten Ausstellungen und Besserungswünsche, die er vorzutragen
wagte, nicht mehr vertragen konnten, als die geheime Hetzerei gegen ihn anhob
und er von gewissen Leuten wie ein Ketzer gemieden wurde. Das war besonders in der
Zeit, wo er des .Modernismus' verdächtig war. Er hielt sich nur aufrecht durch den festen
Willen, in der katholischen Religion, in der er so lange gelebt hatte, auch zu sterben
. Aber etwas in ihm war doch gebrochen, und darum klang es wie ein Erlösungsschrei
, als er, nachdem er pensioniert war und sich in sein Schwarzwaldhaus bei seiner
Vaterstadt Haslach zurückgezogen hatte, mir schrieb: „Ich freue mich, daß Sie noch in
den Sielen sind, ich aber freue mich, daß ich nicht mehr in den Sielen des kirchlichen
Absolutismus stehe, und darum habe ich auch mein Bauernhaus ,Freihof' getauft."
Auf den Zwiespalt seiner Seele führten sich auch einige Widersprüche in seinem Verhalten
zurück. Er rühmte gerne die ,guten alten Zeiten', redete manchem Aberglaube das
Wort, trat für die Prügelstrafe ein, sah in Wallfahrten und Pilgerfahrten ein soziales

241


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1985/0241