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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1985/0244
Verfasser des ,,Neuen Wintermärchens"?

„Ob ein gewisser Hörth etwas veröffentlicht hat oder nicht", ist entgegen der
pessimistischen Bemerkung Hörths im Brief vom 2.8. 1928 an Adolf Geck in
den letzten Jahren aktuell geworden: auf dem internationalen Heine-
Symposium trug der kanadische Germanist Gerhard Friesen am 21. Mai 1978
seine Behauptung vor, daß der Verfasser der Satire „Ein neues Wintermärchen
. Besuch im neuen deutschen Reich der Gottesfurcht und der frommen
Sitte — von Heinrich Heine" — ein Gedicht mit über 180 Vierzeilern — niemand
anders als Otto Hörth sei36.

Das „Neue Wintermärchen", das sich an das von Heinrich Heine im Januar
1844 in Paris geschriebene „Deutschland". Ein Wintermärchen" anlehnt,
wurde vermutlich um die Jahreswende 1871/72 verfaßt. Daß der Autor das
Gedicht unter dem Pseudonym Heinrich Heine im Ausland publizieren ließ,
war begründet: „Es war ein derart vehementer Angriff auf den preußischen
Militarismus und Chauvinismus, auf die Heuchelei und Unmoral der herrschenden
Schichten, die das Volk in Pauperismus und Ignoranz verkommen
ließen, daß er es vorzog, es im Blatt des ultraradikalen Revolutionspredigers
Karl Heinzen in Boston zu veröffentlichen37." Dort erschien es zuerst im
„Pionier" am 2. und 9.4. 1872, dann als Broschüre, die schließlich im Kleinformat
herausgebracht wurde, so daß das Gedicht in Briefe eingelegt und zur
Verbreitung nach Deutschland geschickt werden konnte.

Das Problem der Verfasserschaft ist einmal literarisch interessant; Prof. Dr.
Walter Grab schätzt die Dichtung nicht gering ein: „Die besten Strophen des
.Neuen Wintermärchen' reichen an Heines Sprachgewalt heran — ohne allerdings
deren süperbe Ironie und Leichtigkeit zu besitzen." Doch bedeutsamer
war die politische Wirkung, die sich an seiner Verbreitung ablesen läßt: „Das
Gedicht wurde im Kleinformat seit 1875 auch vom sozialdemokratischen Wochenblatt
,Das Felleisen', das in Zürich erschien, verbreitet: dort trug es das
Impressum ,Gedruckt und verlegt in der Hölle.' Bis 1887 brachte die Volksbuchhandlung
in Hottingen bei Zürich, die in den Besitz der deutschen Sozialdemokratie
übergegangen war, vier Auflagen heraus. Das Ausgangstor der
,Hölle' befand sich im mittelbadischen Raum, was bei Friesen eine wichtige
Rolle spielt:

In Baden, der alten Bäderstadt,
Bei der alten Schwarzwaldquelle,
Da, spricht die dortige Sage, hat
Ihr Ausgangstor die Hölle.

Dort bin ich auch ans Tageslicht
Eines Morgens heraufgegangen,
Ich sah mich nicht um und säumte nicht,
Nach Frankfurt zu gelangen.

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