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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1985/0267
trationslagern befreit wurden. Urheber dieser haarsträubenden Gerüchte
waren, wie man vermutete, unverbesserliche Nazis. Anfang Juni 1945 wurde
durch Anschlag in allen Gemeinden des mittleren Kinzigtals durch die französischen
Militärbehörden bekanntgemacht, daß die Verbreitung von unwahren
Behauptungen und Gerüchten verboten sei und streng bestraft werde107.

Eine schlimme „Köpenickiade" ereignete sich in den ersten Tagen der Besatzungszeit
in Welschensteinach. Dort übte der zweiundzwanzigjährige französische
Ortskommandant Rene Ungar-Klein, ein angeblicher elsässischer Jude,
der sich auch „Kommissar" nannte, ein Schreckensregiment aus108. Er
beschlagnahmte einen großen Teil der Wertgegenstände der einheimischen
Bevölkerung und der in Welschensteinach untergebrachten Evakuierten im
Wert von einigen hunderttausend Mark und verschob sie. Helfersdienste leisteten
ihm nach Abzug der französischen Soldaten die ehemaligen polnischen
Zwangsarbeiter. Unter Anleitung von Ortskommandant Ungar-Klein raubten
, plünderten und verprügelten sie die Einwohner Welschensteinachs. Das
Schulzimmer im Dorf war stets mit Gefangenen belegt. Am 28. April 1945 ließ
Ungar-Klein sogar einen Regierungsobersekretär des Straßenamtes Offenburg
, der in Welschensteinach evakuiert war, auf dem Friedhof erschießen.
Alle Beschwerden der Welschensteinacher beim französischen Ortskommandanten
in Haslach blieben erfolglos. Erst ein Oberst der amerikanischen Luftwaffe
, der am 30. April 1945 nach Welschensteinach kam, um das Grab eines
am 9. Dezember 1944 abgestürzten US-Fliegers zu ermitteln, setzte dem Treiben
von Ungar-Klein ein Ende. Er alarmierte Anfang Mai die französische
Militärpolizei, die Ungar-Klein zwang, Welschensteinach sofort zu verlassen.
Als die französische Militärbehörde dann noch feststellte, daß Ungar-Klein
der Waffen-SS angehört hatte, kam er ins Internierungslager Lahr-Dinglin-
gen. Von dort soll er über Straßburg nach Israel geflohen sein109.

Schwer belastet wurde die Bevölkerung des mittleren Kinzigtals durch die
Beschlagnahmung von Wohnraum. Zahlreiche Häuser und Wohnungen,
besonders Villen, mußten vor allem in Haslach und Hausach für die Offiziere
der französischen Besatzung geräumt werden. Von diesen Beschlagnahmungen
besonders betroffen war Haslach. Dort wurde nämlich im Sommer 1945
der Hauptsitz der UNO-Flüchtlingsorganisation UNRRA110 für die französische
Besatzungszone in Baden eingerichtet"1. Dies bedeutete zusätzliche Beschlagnahmung
von Wohnungen und Häusern für das UNRRA-Personal, was
die Wohnungsnot in der Stadt noch vergrößerte.

Die Hauptsorge der Kinzigtäler Bevölkerung galt damals der Ernährungslage.
In den ersten Wochen nach der Besetzung durch die Franzosen war die
Lebensmittelversorgung sehr provisorisch. Die deutschen Stellen hatten nichts
mehr zu sagen, und die Besatzer ließen sich Zeit. Wer nicht bei einem Landwirt
„hamstern" konnte, war schlimm dran. Für Personen über 18 Jahren
gab es zunächst pro Kopf und Woche 1000 Gramm Brot, 100 Gramm Fleisch

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