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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1985/0343
Die Oberharmersbacher Glocken

Karl-August Lehmann

Kanonen statt Glocken . . .

Von Gründonnerstagabend bis Karsamstag schweigen die Kirchenglocken.
„Sie sind nach Rom geflogen zum Hl. Vater", hieß früher die Erklärung der
Erwachsenen auf die Frage der neugierigen Kinder. Als Zeichen der Trauer
über den Tod des Herrn verstummen die Glocken jedes Jahr für 48 Stunden,
ehe sie in der Osternacht zu neuem Leben erwachen.

Zweimal bereits war in diesem Jahrhundert für eine wesentlich längere Zeit
von den Kirchtürmen das gewohnte Geläute nicht zu hören. In beiden Weltkriegen
mußten jeweils bis auf eine kleinere Läuteglocke alle abgeliefert werden
, um die Rohstoffengpässe der Rüstungsindustrie zu überbrücken.
Glocken, die einst zum Gebet riefen, brachten jetzt in Form von Kanonen Tod
und Verderben — eine größere Perversion kann man sich kaum vorstellen.

Die Oberharmersbacher St. Gallus-Pfarrkirche, 1839—1843 erbaut, erhielt
kurz nach ihrer Fertigstellung von der Straßburger Glockengießerei Ludwig
Edel zu zwei noch vorhandenen, wesentlich älteren Glocken vier neue; fis, a,
c, e lautete die Disposition. 1 294 kg Bronze hingen im Oberharmersbacher
Glockenstuhl. Als 1877 die große Glocke (590 kg) zersprang, stellte dieselbe
Firma ein neues Geläute zusammen. Am 9. Mai 1877 rief es zum ersten Mal
die Gläubigen zum Gebet. Die größte Glocke wog jetzt bereits eine Tonne, das
Gesamtgewicht ( + dis, + fis, a, c, + fis) betrug 2 254 kg.

Der Erste Weltkrieg raubte zum ersten Mal den Oberharmersbacher Kirchturm
aus. Nur das Alter bewahrte zwei Glocken vor dem Einschmelzen, die
anderen mußten abgeliefert werden. Die Pfarrgemeinde erhielt eine Entschädigung
in Höhe von 4249 Mark. Der Großherzogliche Konservator datierte in
einem ausführlichen Gutachten die beiden zurückgebliebenen Glocken ins
15. Jahrhundert. Beide trugen ähnliche Schriftzeichen; auf der einen erleichterte
eine Jahreszahl die historische Einordnung. Die eine etwas kleinere
(69 cm Durchmesser) trug folgende Inschrift: aller, heiligen, glock. heis. ich.
iost. veuer. gos. mich, in dem ior m. cccclxxxii (1482). Die andere trug die
Namen der vier Evangelisten. Beide stammten nach Auffassung des Konservators
vom berühmten Straßburger Glockengießer Thomas Jost.

Bereits 1920 bemühte sich die Kirchengemeinde, durch eine Haussammlung
die Neuanschaffung von Glocken zu finanzieren. Stolz und eigen, wie man damals
war, sollte es ein völlig neues Geläute werden. Die beiden historischen
Glocken wurden nach auswärts verkauft. Fischerbach erwarb die etwas größere
Glocke; die „Allerheiligenglocke" fand eine neue Bleibe in der Nachbar-

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