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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1985/0401
Noch lange nach dem Tode von Frau Pfarrer Lotzbeck erzählte man in langen
Winternächten bei Altenheimer Lichtgängen noch Anekdoten und „grüslje
Gschiichte" aus dem Pfarrhaus. „Am Abend ihres Todestages sind ihre Mägde
in der Kammer gesessen, hatten ein Licht brennen und von dem Sterbefall geredet
. Eine davon meinte: .Jetzt kann sie uns doch nimmer das Licht ausblasen
.' Im gleichen Augenblick ist das Licht ausgegangen." Daß es überhaupt
seither im Altenheimer Pfarrhaus nicht geheuer war, wurde dieser Pfarrersfrau
zugeschrieben. Nicht ganz unschuldig daran war auch'ihr Großneffe, der
„Spezial" Ludwig Jacob Hartmann, Pfarrer in Altenheim von 1808 bis 1836.
Seine Mutter war ebenfalls eine geborene Kast aus Gernsbach. „Er soll ein
großer Astronom gewesen sein." Der Kirchturm der Altenheimer Weinbrennerkirche
sei darum so hoch gebaut und oben noch das kleine Türmlein drauf-
gesetzt worden, damit er die Sterne besser beobachten konnte. Man erzählte
sogar, er habe „als" Dielen zu dem obersten Kirchturmfensterlein hinausgelegt
und sei mit seinem Fernrohr draufgestanden.

Am verrufensten war das nordwestliche Eckzimmer im oberen Stock des
Pfarrhauses. Pfarrer Hansult machte es — wie üblich bei Spukzimmern — zur
Gaststube. Einmal kamen seine Gäste morgens in aller Frühe „ganz vergelsch-
tert" herunter und erklärten, um keinen Preis mehr eine weitere Nacht in diesem
Zimmer zu bleiben.

Am zuständigsten für die Berichterstattung dieser „Gschpängschter-Gschiichte"
ist wohl Frau Kappus, die als Tochter von Pfarrer Mulsow bis 1924 selbst im
Pfarrhaus wohnte. Lassen wir sie berichten:

„Noch im ersten Weltkrieg wunderten sich die Nachbarinnen über „d'Kurasch"
meiner Mutter, die es wagte, nachts durch die Pfarrscheuer zu gehen, wo doch
manchmal eine riesengroße Schlange vom Gebälk herunterhinge.

Ich schlief viele Jahre in dem hübschen, hellen „Spukzimmer" und vernahm
trotz meines sehr scharfen Gehörs nur selten merkwürdige Geräusche, die
nichts Bedrohliches an sich hatten. Wenn einmal unter dem Bett tiefes, ruhiges
Atmen ertönte wie von einem Menschen oder einem schlafenden großen
Tier, so ließ sich doch beim Hinunterleuchten nicht einmal ein Mäuslein
sehen.

Etwas störender war ein Erlebnis in den Nächten um den 23. Juni 1919 herum,
als unsere Nerven aufs äußerste angespannt waren durch die Frage, ob der
Versailler Vertrag unterzeichnet werde oder nicht. Da waren plötzlich unzählige
Franzosen da, daß die Leute im Feld glaubten, sie schlüpften aus dem Boden.
Auf den Speichern waren sie dutzendweise einquartiert. Am entscheidenden
Tag standen sie marschbereit auf den Straßen mit Stahlhelm, Gasmaske und
frischer Munition, Kolonnen von Motorgeschützen waren aufgestellt, und die
tollsten Gerüchte machten die Runde. Solche Stimmung befähigt vielleicht dazu
, mehr von den Dingen zwischen Himmel und Erde wahrzunehmen als ge-

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