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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1985/0429
Die 1978 an der Universität Michigan (USA)
entstandene umfangreiche Dissertation des
Amerikaners Johnpeter Horst Grill liegt nun
gedruckt vor, leider bisher nicht in deutscher
Übersetzung. Sie behandelt den Zeitraum von
den ersten Anfängen der nationalsozialistischen
Bewegung 1920 in den protestantischen
Gegenden Nordbadens bis zum Kriegsende
1945. Das erste.Kapitel greift sogar noch weiter
zurück und analysiert die Ursprünge der „völkischen
" Bewegung in Baden bis ins Jahr
1918. Alle Bereiche der Nazi-Partei und ihrer
Organisationen in Baden werden von Grill anhand
eines umfangreichen Quellenmaterials
untersucht, wobei er weitgehend auf wichtige,
bisher unbekannte Archivalien, Partei- und
Staatsakten sowie zeitgenössische Druckschriften
zurückgreift. Diese liegen in den USA in
Mikroverfilmung vor. Es handelt sich dabei
um Kopien des Document Center in West-Berlin
, das bis heute unter US-Kontrolle steht,
und zum anderen um zahlreiche NS-Akten, die
die Amerikaner bei Kriegsende nach Alexandria
im US-Bundesstaat Virginia brachten.
Unter der letzten Gruppe befindet sich auch
ein großer Archivbestand aus dem Gau Baden,
der 1944 in Straßburg beschlagnahmt wurde.
Grill hat aber auch alle einschlägigen deutschen
Archive besucht und die dort befindlichen
NS-Akten ausgewertet.
Das Buch bietet eine ungeheure Fülle von Detailinformationen
über die Nazi-Herrschaft in
Baden, die sich dank eines zuverlässigen Registers
leicht auffinden lassen. Besonders ausführlich
wird auch die Rolle der NSDAP im
Elsaß untersucht, welches im Juni 1940 Gauleiter
Robert Wagner als Chef der Zivilverwaltung
aufgezwungen bekam. Die Lebensläufe
und NS-Karrieren zahlreicher badischer Funktionäre
der NSDAP werden von Grill dargestellt
und vor allem die dominierende Stellung
Robert Wagners in allen Einzelheiten beschrieben
.

M. Hildenbrand

Paul Assall. Juden im Elsaß.

Elster Verlag Moos 1984.
252 Seiten, 140 Bilder.

„Die wirklichen Menschen, die wir da unserer
Herrenrasse zu opfern bereit waren, sind immer
noch nicht vor unserer sinnlichen Wahrnehmung
aufgetaucht" schrieben Alexander
und Margarete Mitscherlich 1967 in der Hoffnung
, ein Wiedergewinnen von Erinnerungen
könne uns helfen, aus dem Geschehen zu lernen
.

Paul Assall, 1945 in Konstanz geboren, hat
sich auf die Spurensuche begeben, um Juden
zu begegnen, die im Elsaß gleichzeitig mit den
Juden aus Baden ohne Unterschied 1940 nach
Gurs transportiert wurden.
Mit den Mitteln des Wortes und des Bildes versucht
er, sich das Judentum im Elsaß zu vergegenwärtigen
. Sinnhafte Wahrnehmung — sie
formt sich in Gesprächen mit dem Schriftsteller
und Literaturwissenschaftler Claude Vigee,
dem Ethnologen Freddy Raphael und Zeugen
im Elsaß, die die Greuel überlebt haben. Parallel
zu den Gesprächstexten und Beobachtungen
läuft — weniger als Ergänzung, eher selbständig
— die Bildfolge, die das Ganze noch mehr
in die Nähe des Lesers rückt, auf die es Assall
ankommt. Der Mann vom Rundfunk hat vier
Jahre lang solche Gespräche geführt (Claude
Vigee stellte er in der Südwestfunkreihe „Zeitgenossen
" vor), und es gelingt ihm, Hörern
wie Lesern diese Menschen und ihr Schicksal
ins Bewußtsein zu bringen als Juden, als Elsäs-
ser, als Franzosen und, wenn man will, historisch
gesehen auch als sprachlich und kulturell
im Deutschen wurzelnd.

Für die Juden im Elsaß ergab sich daraus eine
verwickelte Einstellung zur Zeitgeschichte, zu
den Zeitgenossen, zumal als in der gewohnten
Sicherheit, die Frankreich bot, die Vichy-
Regierung 1940 zum Gegner wurde, denn nach
dem 22. Oktober erlitten die elsässischen Juden
in Frankreich das gleiche Schicksal wie die
Deportierten aus Baden und der Pfalz. Die
Reise mit ungewissem Ziel brachte sie ins Lager
Gurs am Fuß der Pyrenäen und später die
meisten von ihnen über Lager Drancy ins Vernichtungslager
Auschwitz, wo sie ermordet
wurden.

Keine eigentliche Geschichte der Juden im Elsaß
soll hier vorgelegt werden. Aus vielen Hinweisen
aber wird sie in ihren Hauptzügen deutlich
, sie ist immer gegenwärtig. Juden im Elsaß
seit dem 12. Jahrhundert, Kennzeichnung
durch Kleiderordnungen, Ausrottung im 14.
Jahrhundert, Diskriminierung in besonderen
Judenordnungen, Vertreibungen, Verbote,
Tolerierung unter Ludwig XIV., Pogrome
noch zu Beginn der Französischen Revolution,
die neue Freiheiten gewährte, dann endgültige
Emanzipation 1848 — bis 1940 zur Okkupation
: eine Geschichte des Antisemitismus. Vor
diesem Hintergrund wird das Erscheinungsbild
der Juden lebendig, und soweit es heute noch
faßbar ist, aufgezeigt: die Menschen, Familienbilder
, Inschriften, Wohnhäuser, Synagogen
, Friedhöfe, Grabsteine, Feste, Symbole.
Leben und Alltag jüdischer Gemeinden, vor allem
im Dorf, wie ihre Rolle in der Stadt Straßburg
einst und heute werden vorgestellt. Erkennbar
wird die soziale Entwicklung, die Rol-

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