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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1985/0433
Wie in der „Ottenau" 1983 über die von Helmut
Schneider vorbereitete Ausstellung
„Schmiedekunst aus fünf Jahrhunderten" in
Kehl zu lesen ist, wurde dort auch an den Offenburger
Kunstschmied Franz Karl Bühler erinnert
. Nach Recherchen im Stadtarchiv und
Ritterhaus-Museum Offenburg und im Stadtarchiv
Straßburg kamen zu den gefundenen
Unterlagen weiteres Material und Bilder aus
der ehemaligen Heil- und Pflege-Anstalt llle-
nau zu dem Ausgangsmaterial hinzu, den
Zeichnungen Bühlers, die die Verfasserin als
Restauratorin der Prinzhorn-Sammlung in
Heidelberg kennenlernte.

Der Umfang des von der Verfasserin zusammengetragenen
Materials hat sie veranlaßt, die
vorgesehene Arbeit zu teilen. Besprochen wird
der erste Teil, der sich in der Hauptsache mit
dem Leben Bühlers befaßt. Die Analyse seiner
künstlerischen Produktion soll in einer Dissertation
nachfolgen.

Biographische Daten: Franz Karl Bühler ist am
28. 8. 1864 in Offenburg geboren, die Mutter
geb. Peter stammte aus Achern, der Vater hatte
kurz nach Einführung der Gewerbefreiheit
in Baden in der Offenburger Glaserstraße eine
Bauschlosserei gegründet, in der der Sohn sein
Fach erlernte. Aus den Jahren 1886 bis 1892
sind Skizzenbücher von seinen Reisen in die
Umgebung, nach München, Regensburg mit
Zeichnungen von mittelalterlichen, vor allem
aber barocken Kunstschmiedearbeiten erhalten
.

Ruth Keller sieht seine kunsthandwerklichen
Arbeiten im Rahmen der allgemeinen Bestrebungen
, nach den schnellen Erfolgen der Industrialisierung
in der 1. Hälfte des 19. Jahrhunderts
, die inzwischen wurzellos gewordene
handwerkliche Tradition zu erneuern. Solche
Versuche unternahmen Schinkel, Beuth, dann
Semper. Zu diesen Bemühungen gehörte die
Anfachung des Wettbewerbs durch Ausstellungen
, die Anlage von Mustersammlungen
(Kunstgewerbemuseen) und die Gründung von
Kunsthandwerkerschulen. Diese Bestrebungen
erhielten in Deutschland Auftrieb mit den
Gründerjahren nach 1870. Vor diesem Hintergrund
ist der Weg Bühlers zu sehen
vom Schlosser- und Schmiedehandwerk zur
Kunstschmiedearbeit. Er holte sich seine
Kenntnisse in München.

Von Bühlers Tätigkeit sind neben einzelnen
Kunstschmiedearbeiten noch nachweisbar
Ausstellungsstücke, die für Karlsruhe (1887),
München (1888) und Chicago (1893) angefertigt
wurden. Diese Weltausstellung gab damals
Anlaß, die Situation des Kunsthandwerks erneut
kritisch zu überdenken. Neuen Formen
gelang erst gegen 1900 ein gewisser Durchbruch
.

Gerade im Jahr der Chicagoer Weltausstellung
bot sich Bühler die Chance, einen vakanten
Posten in der damaligen Straßburger Kunsthandwerkerschule
(seit 1896 Kunstgewerbeschule
) als Werkstattvorstand für Kunstschlosserei
zu übernehmen.

Die Verwaltungsakten in Straßburg geben detailliert
Auskunft über seine Tätigkeit ab 1893,
aber auch über die Gründe für seine Entlassung
auf Antrag des Direktors Anton Seder,
die Bühler in die Tragödie trieb. Seine erhaltene
Verteidigungsschrift von 1896 richtet sich
vor allem gegen jahrelange Anfeindungen des
Direktors, dem er „mittelalterliche Ideen hinsichtlich
der Ausbildung" vorwarf.

Nach der Entlassung 1897 hielt sich Bühler in
Hamburg auf, litt zunehmend unter Verfolgungswahn
, wurde zuerst in eine Schweizer
Anstalt verbracht, 1898 in die Illenau und 1900
in die Heil- und Pflegeanstalt Emmendingen
eingewiesen. Dort verblieb er, bis sein Leben
1940 in Grafeneck durch den im Euthanasie-
Erlaß vom 1. 9. 1939 eingeleiteten Massenmord
an Geisteskranken endete.

Bühlers Arbeit als Kunstschmied stellt Ruth
Keller im Zusammenhang mit der Entstehung
des Kunsthandwerks in der 2. Hälfte des 19.
Jahrhunderts dar. Bühler selbst jedoch sieht
sich als Künstler, und zwar ist dies „die einzige
das ganze Leben Bühlers umfassende Aussage
über seine Persönlichkeit, die ich machen
kann" schreibt sie. Mehr Toleranz, die ihm als
Künstler von der Gesellschaft entgegengebracht
wurde, „hätte ihm relativ lange eine erträgliche
Existenz ermöglicht." Sie nimmt an,
daß er zwischen seinem Anspruch als Künstler
und der Wirklichkeit als Kunsthandwerker in
der Zeit des Späthistorismus gescheitert ist.

Unter diesen Spannungen, einmal zwischen
Akademismus und Handwerk, dann zwischen
erstarrtem Historismus und tastendem Suchen
nach einer neuen Kunstauffassung, ehe sich die
spätere Blüte des Jugendstils noch erahnen
ließ, hatte Bühler dem von Direktion und Verwaltung
ausgeübten Druck nichts entgegenzusetzen
. Ruth Keller verfolgt den Weg in den
Akten, zeichnet den Rahmen, in dem sich Büh-

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