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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
66. Jahresband.1986
Seite: 170
(PDF, 109 MB)
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daß er vor längerer Zeit einen Grenzstein versetzt hat, um seinen Acker betrügerisch
zu erweitern. Er bereut daraufhin seine Tat und leistet rechtzeitig Genugtuung
für sein Vergehen.

5. Krisensymptome im mitteleuropäischen Raum um 1300

Kehren wir nach dieser Skizzierung des bäuerlichen Alltagslebens in seinen
vielfältigen Spannungen und Wechselbezügen zu unserer Anfangsfrage nach
der sozialen Lage der Bauern zurück. Die bäuerlichen Lebensverhältnisse haben
sich während des Hochmittelalters zweifellos in vielen Bereichen verbessert
, wie mit Recht von einigen Historikern betont worden ist. Auf der anderen
Seite begegnen uns in der Zeit um 1300 aber bereits in vielen Gegenden
ernste Krisenmomente, die es verbieten, pauschal von einem goldenen Zeitalter
der Bauern zu sprechen. Durch die beträchtliche Zunahme der Bevölkerung
und die sichtbar werdende Verknappung der Landreserven hat sich die
bäuerliche Ernährungssituation im ausgehenden Hochmittelalter bedeutend
verschlechtert. Angesichts des relativ niedrigen Standes der Agrartechnik, der
Höhe der Feudalabgaben, der geringen Bodenerträge und des weit vorangetriebenen
Landesausbaus gab es nur noch begrenzte Möglichkeiten, die Agrarproduktion
weiter zu steigern. Die stark angewachsene ländliche Unterschicht
in den dichtbesiedelten Gebieten war inzwischen darauf angewiesen, sich über
den Markt zusätzlich mit Getreide zu versorgen, was ihr durch den Anstieg der
Getreidepreise nur mit Mühe gelang und ihren Lebensstandard drückte. In der
ersten Hälfte des 14.Jahrhunderts traten nun vermehrt Mißernten und Viehseuchen
in Erscheinung, so daß die Bevölkerung vielerorts immer weniger mit
ausreichend Nahrungsmitteln versorgt wurde. Es entstanden schwere Hungerkatastrophen
, wie z.B. diejenigen der Jahre 1315 bis 131742. Infolge der Bevölkerungsverdichtung
und der Bodenverknappung kam es in vielen Gegenden zu
einer ausgeprägten Kleingüterbildung und Bodenzersplitterung. Vorangetrieben
durch die Erbsitte der Realteilung, wurde die Durchschnittsgröße der bäuerlichen
Betriebe auch im Oberrheingebiet immer kleiner. Zu den kleinbäuerlichen
Höfen der Schupposer gesellten sich die landarmen Stelleninhaber der
Tagelöhner und Häusler, die teilweise überhaupt kein Ackerland mehr besaßen
und nur unter Einschränkungen die Dorfallmenden benutzen durften.
Viele Parzellen in der Ackerflur der Gewanndörfer waren in kleinste Flächen
geteilt und umfaßten häufig nur noch Bruchteile eines Morgens. Durch die
Ausbildung einer breiten bäuerlichen Unterschicht wurden die Vollbauern in
vielen Gegenden zur Minderheit im Dorf.

Insgesamt gesehen zeigten sich um 1300 im mitteleuropäischen Raum somit
ernste Krisensymptome43. Zunehmende Bodenzersplitterung, Bewirtschaftung
von Grenzertragsböden, Erschöpfung der Bodenreserven, hohe Preissteigerungen
, stagnierende Flächenerträge und Beschneidung der dörflichen Wald-
und Weideallmenden sind als bedrohliche Zeichen dafür zu werten, daß der

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