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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
66. Jahresband.1986
Seite: 174
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Ursachen und Wandel vom Bild des Bauern im Spätmittelalter
Peter-Johann Schuler

Nach den rastlosen Aufbaujahren und der Rebellion der studentischen Jugend
scheint heute eine Rückbesinnung auf kulturelle und geistige Werte unserer
Geschichte wieder an Bedeutung zu gewinnen. Dabei fällt auf, daß neben der
Suche nach historischer Identität vor allem die Sehnsucht nach Geborgenheit,
nach Gemeinschaftssinn und Harmonie einen beträchtlichen Teil unserer Mitbürger
bewegt. Bedroht von Umweltkatastrophen und atomarem Tod gewinnt
die alte Rousseau'sehe Forderung „Zurück zur Natur" und das romantische
Bild von der „heilen Welt" des Landlebens, gleichsam als Gegenbild zur heillosen
Stadt mit ihrer Unrast und dem Chaos immer mehr an Bedeutung. „Lebensqualität
" heißt das moderne Schlagwort dafür. Aber stimmt dieses
romantische Bild von der ungebrochenen Tradition, von Solidarität und Geborgenheit
auch mit der historischen Wirklichkeit überein? Laufen wir nicht
Gefahr, daß wir uns mit unserer Sehnsucht nach Idylle den Blick für die heutigen
und vergangenen historischen Realitäten verstellen? Ist dieses geschönte
Bild der harmonischen Dorfidylle, das uns die Romantik in ihrer rückwärts
gewandten Sehnsucht, das ein Ludwig Thoma oder Johann Peter Hebel vor
uns ausbreiten, nicht die Reaktion auf eine politische, soziale oder wirtschaftliche
Krise, in der verfestigte Formen in Frage gestellt wurden oder gar zusammengebrochen
sind? Ganz symptomatisch für dieses Bedürfnis nach einer
„heilen Welt" ist, daß in den harten Aufbaujahren nach dem 2. Weltkrieg der
Heimatfilm das deutsche Kino beherrschte. Tatsächlich werden in diesen literarischen
und bildhaften Äußerungen Widersprüche und soziale Spannungen,
die im Dorf ebenso wie in der Stadt auftraten, größtenteils mit romantischen
Beschreibungen überdeckt, mit patriarchalischem Großmut scheinbar gelöst
oder ganz tot geschwiegen. Dem Leser wird auf diese Weise ein völlig falsches
Weltbild einer vergangenen Zeit vermittelt, nicht zuletzt um aktuelle und zeitgebundene
Bedürfnisse und Sehnsüchte zu stillen. Dabei ist es bezeichnend,
daß es fast immer die bäuerliche Welt ist, die als klischeehafte Idylle herhalten
muß. Dies läßt sich bis zu Vergils „Georgica" zurückverfolgen. Lassen wir
uns nicht täuschen! Weder die bäuerliche Welt des Biedermeiers, noch die des
Mittelalters, wie sie uns in der Romantik dargestellt wird, entspricht der historischen
Realität.

Die politischen, sozialen und wirtschaftlichen Verhältnisse auf dem Lande im
Spätmittelalter

Das Dorf ist seit dem Hochmittelalter ganz allgemein der soziale, rechtliche
und politische Lebensraum seiner Bewohner. Es hat einen öffentlich-rechtli-

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