http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1986/0175
Bauern bei der Dorfbefestigung.
Aus: Meisterlins Chronik
chen Charakter und stellt für die ländliche Gesellschaft des Mittelalters das
Gegenstück zum Rechts- und Friedensbereich der Stadt dar. Man kann mit
Peter Blickle sogar von einer „staatlichen Funktion"1 des Dorfes sprechen,
die sich u. a. an den Weistümern ablesen läßt. Die Dorfgemeinschaft ist im
Mittelalter für die Mehrzahl der Landbewohner der angestammte Personenverband
, der es ihnen erlaubt, politisch zu agieren und rechtliche Ansprüche
einzufordern sowie in Notzeiten in gewissem Umfang Hilfe und Rückhalt zu
finden. Die Gemeinde war auch ein politischer Verband. In vielen Herrschaften
vertreten die Ältesten oder gewählte Personen die dörflichen Interessen
und Rechte gegen die Obrigkeit. Sie treten aber auch als juristische Person
auf, um Rechtsansprüche einzuklagen. Im Innenverhältnis hatten sie durch
Rechtssetzung das gemeinschaftliche Zusammenleben im privatrechtlichen
wie auch wirtschaftlichen zu regeln2. Das Dorfgericht hatte selbständig für Sicherheit
, gute Nachbarschaft im dörflichen Friedensbereich, dem sog.
„Etter", zu sorgen3.
Friedensbrecher wurden zu Bier- und Weinstrafen verurteilt, die dann an bestimmten
Tagen von der ganzen Gemeinde vertrunken wurden. Diese häufig
von den Obrigkeiten angeprangerten Trinkgelage hatten den Zweck, den
Rechtsfrieden wieder herzustellen und den Rechtsbrecher in die Dorfgemeinschaft
aufzunehmen4. Schließlich ist das mittelalterliche Dorf auch ein sozialer
Verband, der sich unter anderem auf dem Gebiet der Nachbarschaftshilfe
und dem gemeinsamen Feiern von Festen manifestierte. Bestimmt wird das
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