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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
66. Jahresband.1986
Seite: 184
(PDF, 109 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1986/0184
Das im Spätmittelalter sich wandelnde Bild vom Bauern:

Nachdem wir uns einen Überblick über die politischen, sozialen und wirtschaftlichen
Verhältnisse auf dem Lande verschafft haben, können wir uns
dem Bild des Bauern im Spätmittelalter zuwenden. Hier stößt man schnell auf
ein sehr großes Quellenproblem. Bis zum Ausgang des Mittelalters haben wir
keine schriftliche Quellenüberlieferung bäuerlicher Herkunft, sieht man von
den Weistümern ab. Man ist daher weitgehend auf die Quellen und die Literatur
der andere Stände angewiesen, in denen der Bauer immer Objekt, nie Subjekt
der Darstellung ist50. Das Bild vom Bauern unterliegt daher je nach Standpunkt
einer mehr oder weniger großen Verzerrung, vereinzelt auch der Schönung
. Die Autoren bedienen sich gewisser Denk- und Darstellungsschemata,
die ihrerseits über die Mentalität der anderen Stände gegenüber dem Bauer
Aufschluß geben können. Die quellenkritische Aufgabe besteht nun darin,
diese „Teilrealismen" in die politischen, sozialen und wirtschaftlichen Gegebenheiten
einzuordnen und Überzeichnungen auszusondern.

Das bisher gültige Weltbild des Mittelalters, nach dem die Gesellschaft in drei
Stände gegliedert ist, in Beter (Klerus), in Kämpfer (Adel) und in Ernährer
(Bauern), verliert seit dem 12. Jahrhundert immer mehr an Gültigkeit51. Mit
der Ausbildung der Stadt entstand auch eine neue soziale Gruppe, die mit steigendem
Selbstbewußtsein einen ihr angemessenen Platz in der Ständegesellschaft
forderte. Der Bürger schob sich nicht nur in seinem Selbstverständnis
zwischen den Bauern und den Adel. Bewußt hat der städtische Bürger schon
sehr früh auf Distanz zwischen sich und der Landbevölkerung geachtet und
dies, obwohl in den meisten Städten durch die landwirtschaftliche Tätigkeit eines
Teils der Bürger nie die agrarische Komponente abriß: Der Bürger wollte
Städter und nicht vom Lande sein; sein Aussehen sollte in keiner Weise an das
eines Bauern erinnern. Nein! Er gehörte in seinem Selbstbewußtsein der fortschrittlichen
Welt der Stadt an, die durch ihre weitgespannten Handelsbeziehungen
nach allen Seiten offen war. Die räumliche Absonderung und die Sonderart
der Wohnstätten, äußerlich symbolisiert durch die Stadtmauer und ihre
verschließbaren Tore, wurden zu einem wesentlichen Statussymbol der Stadt
des Mittelalters. Die räumliche Kluft zum Land wurde durch die Tatsache,
daß die Stadt ein eigenes Gruppenrecht ausbildete und die Bauern aus der
Nachbarschaft dem nachteiligen Fremdenrecht unterwarf, noch mehr aufgerissen
. Nicht nur mentalitätsgeschichtlich suchte der Bürger bei den Herrschenden
, dem Adel und dem Klerus den Anschluß, um sich auch in seinem
Sozialprestige von dem Bauern abzusetzen. Auch in seiner Lebensart nahm er
sich den Adel zum Vorbild. Mit dem Adel und dem Klerus stellte er sich über
den „buren, den dörper", der in den Augen des Städters weltfremd war, sich
gegen den Fortschritt stellte, dem jede Lebensart und rudimentäre Bildung
fehlte. Es entsteht in dieser Zeit der bis in die Neuzeit fortdauernde Antagonismus
von „nobiles — urbanes — rusticus" (Adel — Bürger — Bauer).

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