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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
66. Jahresband.1986
Seite: 197
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„Nur den nenne ich meinem Sinne einen Bauern,
der unrecht lebt und läppisch handelt".

Zugleich wird der Bauer mit dem Adjektiv „konservativ" belegt und zwar in
dem verächtlichen Sinn von mangelnder Aufgeschlossenheit, von sturem Beharren
und Festhalten an dem Hergebrachten, ohne daß man erkannte, daß
die natürlichen, wirtschaftlichen und politischen Bedingungen den Bauern nur
wenig Spielraum für Veränderungen gelassen hatten. Dieses abwertende Bild
wird schließlich auf die gesamte nichtadelige und nichtstädtische, d.h. auf
mehr als 80% der Gesamtbevölkerung übertragen. Sie alle werden „dörper —
dörpel", d.h. Dorfbewohner genannt und damit auch im allgemeinen Sprachgebrauch
ganz unten in der Ständegesellschaft angesiedelt. Positiv ist das Bild
des Bauern in der Regel nur dann, wenn er als Fundament der Feudalgesellschaft
beschrieben wird. Die christliche Lehre von der Gleichheit des Menschen
vor Gott wirkt sich für den Bauern nicht aus. Vielmehr wird ganz in der
biblischen Bildsprache der Fluch auf die zur Arbeit verdammten Menschen
betont. Ein Recht, sich gegen diese Ordnung aufzulehnen, steht ihnen nicht
zu. Ihre Aufgabe besteht darin, geduldig die Last zu tragen und zu dienen, damit
sie dereinst ihren Lohn empfangen können. Diese Abwertung des Bauernstandes
hat ein gesellschaftspolitisches Ziel. Sie soll dem Adel erlauben, sich
von seiner bäuerlichen Herkunft abzusetzen, aber zugleich die Bauern auszugrenzen
, d.h. von der politischen Macht fernzuhalten. Den über seinen Stand
hinausstrebenden Bauer empfand man als eine Bedrohung der eigenen sozialen
Stellung. Die wirtschaftliche und politische Krise vor allem des Niederadels
verschärfte die Gegensätze, ließ bei der Ritterschaft Neidgefühle gegenüber
dem Bauern des 13. Jahrhunderts aufkommen. Dadurch bekam das
mehr vom überlegenden Gesellschaftsgefühl und spöttischer Verachtung geprägte
Bild des Bauern einen immer gehässigen Ton und zugleich neue Dimensionen
. Der Spott der feinen Gesellschaft über den streitsüchtigen und dummen
Bauern verdichtete sich zum Feindbild vom „rebellischen Bauern", gegen
den die rechtmäßige Obrigkeit vorgehen muß, will sie nicht die göttliche
Ordnung gefährden. Der Bauer wird bis gegen Ende des 15. Jahrhunderts zum
„Fußhader", zum Fußabstreifer der anderen Stände, wie dies eine reformatorische
Schrift beklagt105.

Anmerkungen

1 Vgl. dazu: K. Ranke, Agrarische und bäuerliche Denk- und Verhaltensweisen im Mittelalter,
in: R. Wenskus/H. Jankuhn/K. Grinda, Wort und Begriff „Bauer" 1973, S. 219; W. Rö-
sener, Bauern im Mittelalter 1985, S. 155 ff.; K. Schreiner, „Grundherrschaft". Entstehung
und Bedeutungswandel eines geschichtswissenschaftlichen Ordnungs- und Erklärungsbegriffs
, in: H. Patze (Hg.), Die Grundherrschaft im späten Mittelalter Bd. 1 1983, S. 11 ff.

2 Vgl. dazu: K.S. Bader, Studien zur Rechtsgeschichte des mittelalterlichen Dorfes Bd. 2
1957, S. 266 ff.

3 Vgl. dazu: Bader (wie Anm. 2) Bd. 1 1957, S. 119 ff., S. 238 ff.

4 Ebd.; Rösener, „Bauern" (wie Anm. 1), S. 155 ff.

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