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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
66. Jahresband.1986
Seite: 226
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geknüpft, ihre Schriftsteller als Autoritäten betrachtet, die originalen Quellen
erforscht, um sie auszuschöpfen. Die einzige antike Quelle zur Baukunst, die
„Zehn Bücher von der Architektur" von Marcus Vitruvius Pollio, ist nur in
späteren Abschriften erhalten (so in der Humanistenbibliothek in Schlett-
stadt). Poggio Bracciolini hatte eine solche Abschrift 1414 in der Sankt Galle-
ner Klosterbibliothek entdeckt. Nach einem ersten Druck in Rom 1483 erschien
in Straßburg 1543 und 1550 Vitruv lateinisch, 1548 in Nürnberg
deutsch — alle drei von Walter Rivius oder Ryff und Georg Messerschmidt
aus Straßburg herausgegeben — und 1547 in Paris auf französisch.

Bedeutende Baumeister der Renaissance verfaßten nun eigene Abhandlungen
und folgten ihrem großen Vorbild bis hin zum Titel. Sie hoben die Baukunst
auf einen Rang, den sie seit der Antike nicht erreicht hatte, denn als Handwerk
war sie den vier Künsten der Arithmetik, Geometrie, Astronomie und
Musik untergeordnet. In der Renaissance erhielt sie neue theoretische Grundlagen
, und ihre Entwicklung wurde eines der Hauptthemen der Kunstgeschichte.

In der späten Renaissance hatte sich aus dem Allgemeinwissen des Architekten
ein Fachgebiet herausgelöst, die Befestigungskunst, für die mehr und mehr
der Ingenieur allein zuständig wurde. Anfangs gehörte diese zum Aufgabenbereich
auch der bedeutendsten Architekten, wie bereits in der Antike. Tatsächlich
hatte die Befestigungslehre aber von der antiken Tradition wenig oder
gar nicht profitieren können. Mit dem Auftreten des Schießpulvers, mit dem
Gebrauch von Feuerwaffen wurden Erfahrungen und Methoden, die sich in
der Antike bewährt hatten, nun zum Schutz von Städten und Burgen völlig
wertlos. Es wurde Aufgabe von Spezialisten, hier neue Wege zu suchen.

Nach Aristoteles „erzeugt Erfahrung Kunst". Es waren die Italiener, die die
unerwartete Wirkung türkischer Bombarden und französischer Geschütze erfuhren
und Ansätze zu einem neuen Verteidigungssystem entwickelten. Die
mittelalterlichen hohen Türme und Mauern ersetzten sie durch runde Bollwerke
, dann durch spitze Bastionen, die nur geringe Höhe hatten und dem Verteidiger
ermöglichten, sich mit der eigenen Artillerie zu wehren. Vitruvs Erfahrungen
konnten zu dieser Entwicklung nichts beitragen.

Daniel Specklin, der wie seine Fachkollegen den Vitruv kannte und schätzte,
verteidigte und entschuldigte ihn dafür in seinem 1575 geschriebenen sog.
„Codex Mathematicus": Er habe ja nicht mit der Kraft der Feuerwaffen rechnen
müssen. Statt dessen habe er, Specklin, in Ungarn, in Ober- und in Niederdeutschland
(d. h. auch in den Niederlanden) fast alle Festungen besichtigt,
die damals von Italienern gebaut wurden. Damit verfügte er über die Erfahrungen
der Italiener und der Niederländer im Festungsbau und über die Erfahrungen
mit Festungsbauten aus den Türkenkriegen. Die theoretischen Abhandlungen
über den Festungsbau von Albrecht Dürer und von Francesco de
Marchi hat er eingehend studiert. Er bildete sich ein eigenes kritisches Urteil
auch gegenüber den italienischen Festungsbauern, die als führend galten,

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