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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
66. Jahresband.1986
Seite: 227
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denn bastionierte Befestigungen waren in Italien bereits vor 1525 gebaut worden
. Aber die Entwicklung war noch im Fluß und brachte immer neue „Manieren
" der Befestigung hervor.

„Manierismus" kennzeichnet die Epoche der Spätrenaissance zwischen 1520
und 1650 nicht nur auf den Gebieten der Architektur, der Malerei oder der Literatur
. Alte Vorstellungen galten nicht mehr. Der Umsturz alter Ordnungen
verursachte allgemeine Ängste, denen man auf irgendeine erfindungsreiche
„Manier" zu entrinnen suchte. Montaigne gab in seinen Essais 1580 der bewußt
gewordenen Relativität allen Daseins bleibenden Ausdruck. Man suchte
der Antinomie des Berechenbaren und des Unberechenbaren zu begegnen.
Um die Risiken berechenbar zu machen, dazu boten Geometrie und Mathematik
die Mittel. Gerade der Festungsbauer vermochte mit sorgfältig überlegter
Planung künftige Kriegsrisiken einzugrenzen und zu vermindern, vielleicht
ganz auszuschalten.

Mathematiker und Astronomen hatten bereits in großem Maßstab begonnen,
unser auf Augenschein und Erfahrung beruhendes Weltbild in Frage zu stellen
. Sie konstruierten eine abstrakte, künstliche Welt. So verlor auch die
Stadt, die Burg, ihr gewohntes Bild mit ihren schon von ferne Stärke symbolisierenden
hohen Türmen und Mauern. Jetzt war die Stärke einer Befestigung
kaum mehr zu erkennen. Sie bestand aus niedrigen Bastionen und Außen werken
, deren Anordnung unübersichtlich blieb; die bloße Ansicht besagte wenig,
aussagekräftig war allein die Aufsicht, der Übersichtsplan, eine geometrische
Konstruktion, deren Realitätsbezug nur der Fachmann beurteilen konnte.

Daniel Specklin kam aus dem Handwerk. Den Rahmen von Zunft, städtischer
Ordnung und Tradition verließ er, um auf einer höheren, allgemeineren Ebene
sich an der Lösung von Problemen zu versuchen, deren Vorrangigkeit er erkannte
. Er schlug einen Weg ein, dessen Ungewißheit er häufig zu spüren bekam
. Dennoch entließ er sich nie aus der Verantwortung für die von ihm selbst
gewählte Aufgabe, die Gemeinwesen vor drohenden Gefahren mit neuen besseren
Mitteln zu schützen. Fremd wäre ihm des Bürgers Wort im Faust:
„Nichts Bessers weiss ich mir an Sonn- und Feiertagen als ein Gespräch von
Krieg und Kriegsgeschrei, wenn hinten, weit, in der Türkei die Völker aufein-
anderschlagen ..."

Eben hierin lag für Daniel Specklin der stete Ansporn, nach Mitteln zum
Schutz vor Angriffen zu suchen. Er hat mit offenen Augen und vorurteilsfrei
sein Leben lang nicht aufgehört, in den großen Linien und im Detail, das einmal
Gefundene weiter zu verbessern und es mit durchdachten Argumenten zur
Diskussion zu stellen. In seiner UnVoreingenommenheit, Risikofreudigkeit
und Selbständigkeit im Urteil und im Denken gehört er in die Reihe der Menschen
, die die Renaissance erstmals in Italien hervorgebracht hat, ein geistiges
Individuum, ein Kosmopolit und Europäer, ein moderner Mensch, der seiner
Zeit voraus dachte.


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