Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., H 519,m
Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
66. Jahresband.1986
Seite: 351
(PDF, 109 MB)
Bibliographische Information
Startseite des Bandes
Zugehörige Bände
Regionalia

  (z. B.: IV, 145, xii)



Lizenz: Creative Commons - Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0
Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1986/0351
jungen Leuten von Stand und Söhnen von Staatsbeamten sah man Kinder aus
wohlhabenden Bürgerfamilien und andere aus noch bescheideneren Verhältnissen
; diese letzteren wurden im größeren oder bescheideneren Maße vom
Kloster mildtätig unterstützt. Aber selbst für die Vermöglichen war der Preis
der Jahrespension unglaublich nieder gestellt: in allem betrug er nicht über
10 bis 11 Louisd'or4.

Das Lehramt der Anstalt, der zu meiner Zeit außer dem Magister oder Direktor
noch 3 Geistlichen als Professoren vorstanden, wurde mit jenem Eifer, mit
jener Erudition und in dem Umfang verwaltet, welche ihren ausgebreiteten
Ruf und die Frequenz ihres Besuchs von früher her begründet haben; sie
konnten den Vergleich mit jedem deutschen Gymnasium aushalten. Der fehlende
Unterricht im Griechischen nur erschien als eine fühlbare Lücke; dafür
war jener in der lebenden französischen Sprache um so viel besser bestellt als
anderwärts. Den letzteren Vorzug verdankt die Anstalt in der neuesten Zeit
dem Herrn Anstett, vormaligem Generalvikar zu Metz, der während der Revolution
seiner standhaft behaupteten Grundsätze wegen lange in Ketten
geschmachtet und, aus den französischen Gefängnissen befreit, im Kloster Allerheiligen
einen Zufluchtsort gefunden hatte. Ein Mann, der die tiefe Kenntnis
der deutschen Sprache und ihrer Eigentümlichkeiten, gleich jenen der französischen
und das fehlerfreie Sprechen beider in einem Grad besaß, der fast
niemals und nirgends angetroffen wird.

Es ist wahrhaftig außerordentlich, welche Mühe dieser kränkliche Mann sich
gab und welche Engelsgeduld er trug, um dem französischen Idiom bei den
jungen Deutschen Eingang zu verschaffen, aber wie lebhaft auch seine Befriedigung
war, wenn er, was zufällig bei mir eintraf, ein so biegsames Organ vorfand
, daß seine Anweisungen und sein Beispiel fruchten konnten. Man vermag
sich kaum vorzustellen, wie lang und wie oft er mich insbesondere vor einer
Schwierigkeit festhielt, bis ich sie überwunden, bis ich die genaue Unterscheidung
, den richtigen Ton, den richtigen Akzent und die echt französische
Aussprache vollkommen getroffen hatte.

Es versteht sich, daß die unterste Klasse, in die ich eintrat, die meisten Schüler
hatte. Das bißchen Latein, das ich mir im Vaterort erworben hatte, kam mir
nun gut zu statten, und das Pflichtgefühl, nebst dem Wetteifer unter den Zöglingen
taten das übrige. Die Lehrmethode und die Art zu lernen waren hier im
allgemeinen und im wesentlichen nicht verschieden von derjenigen, die ich
später anderwärts kennengelernt habe. Nur von einer und zwar angenehmen
Abweichung hierin werde ich weiter unten berichten. Natürlich hatten wir
auch unsere Zeit des klösterlichen Silentiums. . .

Über unsere Sitten wurde mit Sorgfalt gewacht, und die Religionslehre fand in
eindringlicher, verständiger Weise statt. Mit Beichten waren wir nicht sonderlich
geplagt, um so mehr dagegen mit dem Ministrieren. Um vier Uhr des
Morgens schon hörte man das Glöckchen vom Kloster her, und hurtig mußte

351


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1986/0351