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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
66. Jahresband.1986
Seite: 352
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der, an dem die Reihe war, aus dem Bett steigen, sich ankleiden und in die Kirche
eilen. Aber bald tönte das Glöckchen wieder; ein anderer mußte springen,
und so ging es fort, bis die Herren alle ihre Messe gelesen hatten. Im Winter
— im Winter von Allerheiligen! — war das keine Kleinigkeit. Zum Glück bestand
eine streng geregelte Abmachung, derzufolge das erste Aufstehen der
Reihe nach an alle kam, und zudem hatten einige von den geistlichen Herren
das in unseren Augen entschiedene Verdienst, ihre Messe schneller zu erledigen
. Erwägt man übrigens, daß wir um acht des Abends schon zu Bette gingen
, so hatten wir uns wegen zu frühen Aufstehens im Grunde überhaupt
nicht zu beschweren.

In der Andacht wurde Maß gehalten und Ziel. Doch mußten wir des Morgens
mit dem Eintreten in die Studiensäle, dann vor und nach jeder Mahlzeit und
abends vor dem Schlafengehen jeweils ein kurzes Gebet, und dies in Latein,
unabänderlich verrichten.

Das letztere kann nicht befremden, zumal selbst bei denen, die in die unterste
Klasse eintraten bereits einige Latinität vorausgesetzt wurde, und da wir, was
an sich gar nicht so übel war, sowieso für den ganzen Tag die Verpflichtung
hatten, keine andere Sprache zu reden als die lateinische oder allenfalls die
französische. Freilich war unser Latein auch danach beschaffen, und wer
weiß, ob ein Klassiker davon nicht Magenweh bekommen hätte.

Ordnung und Anstand bei uns aufrechtzuerhalten war nicht schwer, und über
die Strenge der Disziplin hörte ich wenig klagen. Nur ein Schauplatz weiß ich,
wo der Farrenziemer gezogen wurde; das war im Schlafsaal im Fall eines
„Krieges".

Wenn ich von dieser Szene (Anmerk. körperliche Züchtigung eines Schülers
wegen böswilliger Behauptungen über einen Lehrer) und den oben erwähnten
gelinderen, im ersten Ärger ausgeteilten Streichen absehe, so kann ich nicht
anders sagen, als daß wir von allen Seiten mit Güte behandelt wurden. Die andern
Herren im Kloster, die uns nicht zu ziehen hatten, waren gegen uns ohnehin
voll Freundlichkeit, besonders zwei uralte Greise, die Väter Norbert und
Jakob, und auch der Prälat. Wie oft haben sie uns von ihren Zimmerfenstern
herab schöne Äpfel in den Schnee geworfen!

Wir hatten drei Mahlzeiten, morgens um acht, mittags um zwölf und abends
um sechs Uhr. Unser Speiseraum oder Refektorium war ein Saal im Erdgeschoß
der Abtei; zwei lange Tafeln liefen an den Wänden hin, und oben zwischen
beiden stand der Tisch der drei Herren, die, wenigstens beim Mittag-
und beim Abendessen, über uns die Aufsicht zu führen hatten.

Was unsere Kost angeht, so konnte sie bei dem geringen Betrag des Pensionsgeldes
nicht vornehm sein, und manchem von uns wollte sie in der Tat nicht
munden, obwohl in der frischen Luft von Allerheiligen und bei der vielen Be-

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