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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
66. Jahresband.1986
Seite: 389
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söhne durften ein Zinsgut nur erwerben, wenn der Verkäufer aus der Kolonie
wegzog. Es kam vor, daß eine Zwangsversteigerung abgelehnt wurde, auch
wenn der Gläubiger dabei zu Schaden kam. Der Übernehmer eines Zinsgutes
mußte seine Geschwister auszahlen; von den Schulden, die ihm dabei erwuchsen
, kam er in den meisten Fällen nie mehr los. Ein anderes Mittel, die Kolonistenzahl
zu vermindern, bestand darin, daß die Forstverwaltung bei Zwangsversteigerungen
und anderen Anlässen trotz bestehender großer Wohnungsnot
Häuser aufkaufte, um sie abreißen zu lassen. Zunächst wollte man freiwerdende
Güter wieder zu Wald anlegen, entschloß sich aber dann doch angesichts
großer Landnot, sie zu verpachten. Meist wurde mit dem Verkauf eines
Bodenzinsgutes die Bedingung verbunden, daß der Verkäufer die Kolonie verlassen
mußte. Man war darauf bedacht, möglichst kinderreiche Familien zu
entfernen, die der Forstkasse durch ihre Unterstützungsbedürftigkeit zur Last
fallen konnten. Andererseits wurde einem Kolonisten, der sein Zinsgut dem
Domänenärar zum Kauf anbot, um die Kolonien zu verlassen, eine Absage erteilt
; er sei ein junger kräftiger Mann, kinderlos verheiratet, er besitze zwar
viele Schulden wie die meisten Kolonisten auch, aber er werde der Forstkasse
voraussichtlich nie zur Last fallen; mit der Entfernung von nur zwei Köpfen
sei nicht viel erreicht. Ein junger Kolonist heiratete ohne Erlaubnis „jenseits
des Rheins" die Tochter eines anderen Kolonisten; obwohl sein Schwiegervater
schon 70 Jahre alt war, durfte er ihm zur Strafe sein Zinsgut nicht übergeben
, sondern mußte es einem anderen Sohn übertragen. Ob damit die Kolonistenzahl
vermindert wurde, ist fraglich. An solchen Beispielen lernt man die
Vorzüge des Rechtsstaates schätzen.

Der größte Fehler der damaligen Sozialpolitik in den Waldkolonien war die
kurzsichtige und deswegen auch erfolglose Beschränkung der Eheschließungen
. Vergebens wandte sich 1813 Amtmann Beust in Bühl wider „die gegen
das Naturrecht verstoßende Zölibatsauflage." Dagegen erklärte das Forstdepartement
des Finanzministeriums, es sei nicht zu vertreten, die Bevölkerung
in den Waldkolonien über den gegenwärtigen Stand anwachsen zu lassen, weil
dadurch mehr Fläche zum Ackerbau erfordert und dem Wald entzogen, mehr
Holz für den örtlichen Holzbedarf benötigt und dem platten Land entzogen
würde. Es könne stets nur dann eine Heiratserlaubnis erteilt werden, wenn ein
Todesfall oder andere Ereignisse einen Abgang unter den Familienvätern bewirkt
haben und dadurch Häuser und Güter frei würden. Dieser Grundsatz
wurde mit größter Härte durchgeführt. Dabei spielte es keine Rolle, daß ein
Kolonist mit einer Frau vier uneheliche Kinder hatte, „für die er treu sorgte."
Ein anderer, ebenfalls mit vier unehelichen Kindern, mußte 10 Jahre lang auf
die Heiratsgenehmigung warten, bis er endlich das Gut eines abziehenden Kolonisten
übernehmen und dann heiraten durfte. In einem anderen Fall wurde
eine Frau, die mit vier Kindern unter fast unerträglichen Verhältnissen im alten
Schulhaus untergebracht war, der Bau einer Hütte verwehrt, weil dadurch
eine neue Kolonistenfamilie begründet würde. Einem Kolonisten, 54 Jahre alt,

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