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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
66. Jahresband.1986
Seite: 390
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Witwer mit drei Kindern, wurde die Heirat mit einem Mädchen aus Seebach
nicht gestattet, obwohl ihre Vermögensverhältnisse „nicht zu beanstanden
waren." Der Mann sei in einem Alter, „das eine fortgesetzte, anstrengende,
zur Ernährung einer Familie ausreichende Tätigkeit nicht mehr zuläßt, während
bei dem jugendlichen Alter der Braut und der jetzigen Rüstigkeit des
Bräutigams ohne Zweifel zahlreiche Nachkommen erscheinen werden"; zudem
sei die Braut „Ausländerin." Offen wurde ausgesprochen, er möge doch
eine Kolonistin heiraten. Noch im Jahr 1857 wird von der 57 Jahre alten Rosa-
lie Bauknecht berichtet; sie hatte neun uneheliche Kinder und war zu jeder Arbeit
unfähig, daher unterstützungsbedürftig. Noch immer lebe sie „mit ihrem
letzten Concubinarius in verbotenem Verhältnis" zusammen. Die Gendarmerie
sei ihr zwar deswegen immer auf den Fersen, doch könne das anstößige
Verhältnis der beiden alten Leute nicht ganz verhindert werden. Bittgesuche
um Abhilfe hatten keinen Erfolg, auch wenn sie in der Audienz in Karlsruhe
persönlich übergeben wurden.

Die Akten berichten über Jahrzehnte hinweg von einer Fülle beschämender
Vorgänge. Die im tiefsten Grund unsoziale Haltung der Forstverwaltung und
überhaupt der herrschenden Gesellschaft hat Menschen geschaffen, die sich
diesem Staat nicht mehr verbunden fühlten, und die mit den Gedanken an
Heimat und Vaterland nur die Erinnerung verbanden an all das Elend und die
Enttäuschungen, die sie hier erfahren hatten. So wird es verständlich, daß vielen
die Auswanderung nach Amerika als letzte Rettung erschien. Der Entzug
einfachster Menschenrechte galt nicht einer Kolonie von Tagedieben und Verbrechern
; es waren durchweg fleißige und arbeitsame Leute, die sich hier niedergelassen
hatten, deren einziger Fehler ihre Armut war.

Die wirtschaftliche Lage der Kolonisten

Schwierig wurde die Lage der Kolonisten, sobald der eine oder andere von ihnen
unverschuldet durch Krankheit oder Unfall in Not geriet. Während der
Gemeindebürger das Armenrecht in Anspruch nehmen konnte, gab es in den
Waldkolonien zunächst niemand, der zur Unterstützung alter, kranker oder
verunglückter Kolonisten und ihrer Angehörigen bereit war. Schließlich mußte
sich der badische Staat als Kolonieherr zur Gewährung von Unterstützungen
entschließen; die Gemeindeordnung von 1831 verlangte es. Aber die Verwaltung
hat das nie als Verpflichtung, sondern nur als drückende Last empfunden
, der man sich, so gut es ging, zu entziehen versuchte. So beklagte 1834
das Forstamt Gernsbach, daß die sozialen Aufwendungen des Fiskus für die
Kolonien die Einnahmen aus den Güterzinsen bereits erheblich überschritten.
Arbeitsunfähigkeit und Krankheit nahmen mit dem Älterwerden der Kolonien
stark zu. Kaum ein Viertel der Bewohner könne zum Holzhauen verwendet
werden, berichtete 1851 die Bezirksforstei Herrenwies, höchstens ein Viertel
zu Kulturarbeiten und Wegebauten, „die Hälfte ist gewissermaßen nutzlos."

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