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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
66. Jahresband.1986
Seite: 392
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terstützungen, die ihnen zuteil wurden, die Not nur für den Augenblick lindern
konnten. Wollte man die Wurzel des Übels treffen, mußte die Zahl der
Kolonisten energisch vermindert werden. In den beiden Waldkolonien geschah
jetzt nur, was in weiten Teilen Deutschlands schon lange im Gange war.
Baden war durch die napoleonischen Kriege verarmt. Die ländliche Besitzzersplitterung
war so weit fortgeschritten, daß sich viele Landleute nur schwer
halten konnten. Seuchen und Mißernten machten die Lage des Bauernstandes
verzweifelt und förderten die Verschuldung. Tausende, aus kleinbäuerlichen
Familien kommend, wanderten damals, durch öffentliche Mittel unterstützt,
in die Ferne. Es war die einzige Möglichkeit, mit dem Bevölkerungsüberschuß
fertig zu werden. Die Landwirtschaft war noch wenig entwickelt. Die Industrialisierung
steckte noch in den Anfängen und konnte nicht alle überzähligen
Kräfte der Landwirtschaft aufnehmen. Not trieb die Menschen in die Fremde
und die Hoffnung, dort zu erhalten, was ihnen in der Heimat vorenthalten
wurde: Arbeitsmöglichkeiten für jeden, der arbeiten wollte, große Mengen besten
Bodens, der nur auf die Bebauer wartete, Selbstverwaltung, politische
und religiöse Freiheit, keine Zinsen, Zehnten, Frohnden, keine Jagdgerechtigkeit
fremder Herren, keine Erschwerung der Heiraten. Da ist es kein Wunder,
daß auch in den Waldkolonien die Auswanderung nach Nordamerika bald als
letztes Mittel vor dem Untergang galt.

Wir hören davon zum erstenmal 1841, als zwei Erbersbronner Kolonisten ihre
Liegenschaften verkauften, um nach Nordamerika auszuwandern. Im Jahr
1847 bot eine große Zahl Kolonisten der Forstverwaltung ihre Güter zum Kauf
an, da sie auswandern wollten. Diese wäre gerne darauf eingegangen, aber das
Finanzministerium lehnte ab, ,,da die bedeutenden Opfer, die dabei nötig
sind, außer Verhältnis stehen zu den zu erwartenden Vorteilen." Der von den
Kolonisten geforderte Preis erschien zu hoch; man hoffte, bald auf wohlfeilere
Art in den Besitz der Güter zu gelangen. Insbesondere befürchtete man als
Folge der Auswanderung eine Steigerung der Arbeitslöhne. Bei dieser ablehnenden
Haltung blieb es auch, als sich in den kommenden Jahren ähnliche Gesuche
häuften.

Als dann im August 1849 in Herrenwies ein Brand ausbrach, bei dem vier
Häuser zerstört und 26 Personen ihr Obdach verloren, wurde die Frage der
Auswanderung wieder aufgegriffen. Hierzu berichtete die Forstdirektion dem
Finanzministerium: ,,Da unser Streben dahin geht, neue Ansiedlungen unmöglich
zu machen, kommt uns die Zerstörung jener Wohnungen um so mehr
gelegen, als diese verhältnismäßig hoch in der Brandversicherung liegen und es
dem Ärar sicher gelingen wird, sich die Versicherungssumme von den Versicherten
abtreten zu lassen. Die vier brandgeschädigten Familien eignen sich
sehr zu Auswanderung." Schließlich kaufte das Ärar den vier Kolonisten ihre
Güter ab, um aus dem Erlös die Gläubiger zu befriedigen. Die Auswanderung
erfolgte im Mai 1850. Die Kosten der Überfahrt — 8165 fl — wurden vom
Staat übernommen. Dem gegenüber standen die Ansprüche des Ärars an die

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