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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
66. Jahresband.1986
Seite: 463
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Vaters ist auch so gering, daß deren Ertrag nicht einmal zum Unterhalt seiner eigenen
Familie ausreicht (. . .)• Ich wohne in einer Neuwohnung und muß monatlich 30 RM
Miete bezahlen. Alles was zum Lebensunterhalt notwendig ist, muß ich kaufen. Meine
Frau arbeitet nur noch an drei Tagen in der Woche (. . .). Es ist ganz ausgeschlossen,
daß ich nach Kürzung meiner Unterstützung noch mit meiner Frau durchkommen
kann."

Die Lage der Dauerarbeitslosen im Dorf war wenig hoffnungsvoll. Im Fall eines
Arbeitslosen richtete der damalige Bürgermeister mehrere Gesuche um
dessen Wiederanstellung an die Reichsbahn. Jedesmal erhielt er jedoch eine
Absage. In der Zwischenzeit hatte sich die Lage des Betroffenen noch verschlechtert
. Die Familie mußte nun von dem geringen Verdienst der beiden
Söhne leben, wovon sie zusätzlich für einen Kredit Zinsverpflichtungen nachzukommen
hatte. Inzwischen kündigte die Darlehenskasse diesen Kredit, und
auch die Beiträge zur Pflichtversicherung der Arbeiterpensionskasse aus der
Beschäftigungszeit des Arbeitslosen bei der Reichsbahn konnte die Familie
nur mit Mühe und Not aufbringen. Am Schluß stand die Zwangsversteigerung
. Mit der Aussteuerung aus der Arbeitslosenversicherung wurde Arbeitslosen
auch keine Krankenfürsorge mehr zuteil. Im Krankheitsfall oder bei einem
Unfall mußten sie, wie der 29jährige Arbeitslose aus Rammersweier, die
Arztkosten selbst bezahlen15:

„Ich habe bei einem Bekannten beim Holzschlitten geholfen, um wenigstens das Essen
zu verdienen. Lohn habe ich keinen erhalten, da noch ein Bruder von mir arbeitslos ist
und meine Mutter, die gelegentlich Wascharbeiten verrichtet, infolge der Kälte keinen
Verdienst mehr hat. Durch die Ausscheidung aus der Arbeitslosenunterstützung wird
auch die Krankenfürsorge nicht mehr gewährt. Zur Tragung dieser Kosten wäre ich
außerstande."

Die schrittweise Verarmung betraf vor allem die dörflichen Unterschichten.
Sie verdeutlicht zugleich deren hoffnungslose Situation: um zu überleben waren
sie von einer Arbeit außerhalb der Landwirtschaft abhängig. Als mobile
ungelernte Arbeitskräfte gehörten sie jedoch zu den ersten Opfern der Krise
und wurden arbeitslos. Das Dorf konnte zwar ein begrenztes Arbeitspotential
auffangen, in harten Krisenzeiten hingegen gelang diese Kompensation nicht:
den nicht unterstützten Arbeitslosen blieb nur noch die Taglohnarbeit oder
Bettelei übrig.

Vom Kredit zur Zwangsversteigerung

Die verschlechterte Ertragslage brachte die meisten landwirtschaftlichen Betriebe
in finanzielle Schwierigkeiten. Die nach der Inflation 1923 oft aufgenommenen
Kredite konnten nicht mehr zurückgezahlt werden. Die Zwangsversteigerung
von Grund und Boden, Hab und Gut war das furchtbare Ende
für viele Bauern. In Rammersweier begann die Welle der Zwangsversteigerungen
im Jahr 1928 und erreichte 1931/32 ihren Höhepunkt.

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