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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
66. Jahresband.1986
Seite: 465
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ster für die Kleinkinderschule tätig. 1931 wies man Rammersweier eine Nähschwester
zu, die jungen Mädchen und Frauen Nähunterricht erteilen sollte.
Aus einem Brief des Gemeinderats geht jedoch hervor, daß nur wenige der
Angesprochenen wegen der Krise überhaupt Zeit hatten, die Kurse zu besuchen
:

„Offenbar ist die wirtschaftliche Not doch noch größer, als wir angenommen hatten.
Der Schulbesuch ist im Vergleich zu früheren Jahren recht gering. Manches Mädchen
und manche junge Frau würde den Kurs besuchen, wenn sie Mittel für die zu verarbeitenden
Stoffe hätte19."

Die Vereine führten mehrere Wohltätigkeitsveranstaltungen durch. In einer
Nachbargemeinde sammelte der Gesangverein „Frohsinn" bei einem Theaterabend
zugunsten der Kleinkinderschule. Aufgeführt wurde ein Volksstück in
neuen Bildern20. In Rammersweier lud der dortige Gesangverein 1932 zur
Weihnachtsfeier ein, ,,(. . .) hauptsächlich deshalb, um seine Mitglieder nebst
Angehörigen einmal für einige Stunden von ihren Alltagssorgen, von ihren
Kümmernissen und Nöten dieser schweren Zeit zu befreien21." Solche Feiern
kamen jedoch immer seltener zustande. „Die Not und das Elend, das in Stadt
und Land herrscht, hielt die meisten hiesigen Vereine davon ab, Weihnachtsfeiern
zu veranstalten22."

Im Winter 1931 führte die Gemeinde Rammersweier Winterhilfsmaßnahmen
durch. Der Erlös einer Haussammlung sollte etwa 15 Familien zugute kommen
, um deren Bedarf an Obst und Gemüse zu decken23. Den von der damaligen
Reichsregierung zur Verfügung gestellten verbilligten Bezug von frischem
Fleisch konnten 14 Hauptunterstützungsempfänger erhalten, zwei Sozial- und
Kleinrentner, zwei Wohlfahrtserwerbslose und ein Ortsarmer. Zusätzlich stellte
der Staat 1932 in Not geratenen Landwirten geringe Hilfen zur Verfügung24.

Krise der dörflichen Lebenswelt?

Die bis in alle Lebensbereiche einwirkende Weltwirtschaftskrise verdeutlicht
zweierlei:

Zum einen zeigt sie, wie eine von der nichtlandwirtschaftlichen Arbeit immer
mehr abhängige dörfliche Welt an vorläufige Grenzen gerät: Die Existenz vieler
Dorfbewohner hing vom landwirtschaftlichen Ertrag noch zu sehr ab, der
Arbeitslohn in der Industrie reichte für das Leben nicht aus. Erst als sich die
Löhne in den ländlichen Regionen nach 1945 allmählich an die städtischen anpaßten
, stieg auch der Lebensstandard im Dorf. So wurden die Nebenerwerbslandwirte
von der Weltwirtschaftskrise doppelt betroffen. Diese Krisenzeit
war somit eine Krise der dörflichen Lebenswelt überhaupt.
Zum anderen zeigt das Beispiel, daß das Urteil über die „immer besser gestellten
" Bauern in diesem Falle wirklich ein Vorurteil darstellt.

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