Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., H 519,m
Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
66. Jahresband.1986
Seite: 483
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sehe Handlungen und Sprüche ein fester Bestandteil des Behandlungsschatzes
geblieben. Viele der älteren Generation im Ried wissen darum. Und wer noch
zu Beginn dieses Jahrhunderts sich mit der Krankenbehandlung beschäftigen
wollte, hatte mehr oder weniger Kenntnisse auf diesem Gebiet, die er in Anwendung
brachte, wenn alles andere versagte. Bis in die jüngste Zeit kam diese
Magie auch zur Geltung bei der Aufklärung von Diebstählen, bei der Entwirrung
von komplizierten familiären Situationen, bei der Eheberatung, bei der
Beratung von Geschäftsabschlüssen, bei wichtigen persönlichen Entscheidungen
und vielem anderem. Die Kenntnisse in der Krankenbehandlung wurden
in manchen Familien von Generation zu Generation weitergegeben durch
mündliche Belehrung oder durch aufgezeichnete Rezepte, die z.T. heute noch
existieren. Die Bewahrung eines uralten Krankheitsbegriffes in unserer Bevölkerung
bis in die heutige Zeit erinnert uns daran, daß die Menschheit während
des größten Zeitraumes ihrer Existenz an übernatürliche Kräfte mehr geglaubt
hat als an Naturgesetze.

Bei aller Einschränkung des Themas Medizingeschichte in dieser Arbeit ist es
nötig, Ereignisse anzumerken, die für die Entwicklung der Heilkunde im Ried
von Bedeutung sind und die Ursache dafür abgegeben haben, daß die Krankenbehandlung
in unserer Gegend gerade diese Form angenommen hat, wie
sie sich den Menschen der Gegenwart heute bietet. Die mittelalterliche Medizin
war die Periode der Mönchsmedizin. Das Kloster Monte Cassino, um 529
gegründet, war ein Symbol für die medizinische Entwicklung innerhalb der
Klöster. Hier wurde auch medizinisches Schrifttum gesammelt, wurden —
nicht nur in Zeiten der Seuchen — Krankenabteilungen und Kräutergärten
eingerichtet. Auf der Synode von Clermont 1130 aber wurde den Mönchen die
Ausübung chirurgischer Tätigkeit untersagt. Der Tiefpunkt der mittelalterlichen
Medizin lag gerade auf dem Gebiet der Chirurgie. Mit der Erklärung:
„Ecclesia abhorret a sanguine" (die Kirche vergießt kein Blut) nahm die Synode
von Tours 1163 die Chirurgie endgültig aus den Händen der Ärzte, denn
die meisten Ärzte waren Geistliche. Schon im 11. Jahrhundert wurde z.B. der
Aderlaß zunehmend von Badern ausgeführt — von da an wurde die Chirurgie
fast ausschließlich den Badern, Barbieren, Henkern, Kastrierern („Sauverhei-
lern") und Quacksalbern jeder Art überlassen. Nur in Italien und Südfrankreich
waren es auch weiterhin Ärzte, die chirurgisch tätig waren. Unter den
Badern und Barbieren gab es in der folgenden Zeit Männer, die sich auf chirurgischem
Gebiet überdurchschnittliche Kenntnisse erwarben und besondere
Fähigkeiten, z.B. bei Stein- und Staroperationen entwickelten. Sie besaßen soviel
Unternehmungsgeist und Bildung, daß aus ihren Reihen einige der größten
Chirurgen der Geschichte hervorgingen.

Diese zukunftsträchtigen Ereignisse im 12. Jahrhundert waren maßgebend für
die Entwicklung der Heilkunde in den folgenden Jahrhunderten in unsern
Breiten. Hier in Altenheim kam die Trennung zwischen der Behandlung innerer
Krankheiten einerseits und der Wundbehandlung andererseits deutlich

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