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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
66. Jahresband.1986
Seite: 489
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dringenden Ängste, welche unsere Vorfahren schon bei geringfügigen Krank-
heitszuständen erdulden mußten, sind uns fremd geworden. Wir erleben sie
nur noch in den im Vergleich zur alten Krankheitsstatistik selten gewordenen
Fällen, wo die moderne Medizin manchen unheilbaren Krankheiten auch heute
noch nicht wirksam entgegentreten kann. So gesehen wird uns verständlich,
daß unsere Altvorderen in der Not des Krankenlagers zu jedem Mittel griffen,
das ihnen bei aller Primitivität der Behandlungsmethoden noch Hilfe versprach
, auch wenn es eine Zauberformel war.

Brücher und Brücherinnen waren überall anzutreffen, wie die Kranken, die
bei den hygienischen Verhältnissen alter Zeit zahlreicher waren als heute.
Hansjakob nennt diese Leute „Sympathiedökter" und beschreibt erfrischende
Persönlichkeiten, die im Kinzigtal und den umliegenden Schwarzwaldbergen
bedrängten und leidenden Menschen Hilfe zu bringen versuchten und
meint: „Zu dem Meere von Geheimnissen, das uns umgibt, gehören nun auch
jene im Volke seit Menschengedenken geglaubten und geübten Sympathiekuren
, jene Heilmethoden durch Gebet, Beschwörung und durch Anwendung
von Gegenständen, die der Krankheit gänzlich ferne zu sein scheinen. Die Ärzte
verlachen sie und nehmen sich deshalb gar keine Mühe, sie näher zu untersuchen
; aber daß manche von jenen Sympathiemitteln wirken, ist eben eine
Tatsache, die mit Hohngelächter nicht aus der Welt geschafft werden kann9."

Natürlich waren verschiedene Behandlungsformen der,,Sympathiedoktoren"
in weiten Kreisen der auf diesem Gebiet Tätigen allgemein bekannt und kamen
sowohl im Kinzigtal wie in unserer Gegend bei entsprechenden Indikationen
zur Anwendung, so z.B. Auszüge aus Maiglöckchen (Convallariatoxin in
Convallaria majalis) als pflanzliches Herzstärkungsmittel, das Rad- oder
Garnhaspeldrehen bei Diebstählen, Beschwörungsformeln verschiedenster
Art, das Schröpfen, der Aderlaß, Purgieren, Bäder, Diätformen, um nur einige
zu nennen.

Andrerseits ist festzustellen, daß heute noch viele Kranke mannigfaltigen medizinischen
Überzeugungen anhängen, die bis zu den alten Griechen und Para-
celsus zurückverfolgt werden können. Moderne Arzneimittel wie das Pikroto-
xin, das Emetin, Strophantin, Serpasil, Kokain wurden aus primitiven Arzneischätzen
entwickelt. Der englische Mediziner und Botaniker Withering
(1741—1799) führte Digitalis in die Schulmedizin ein, nachdem er 1775 von einer
alten Frau von der Anwendung des Fingerhutes bei Wassersucht gehört
hatte.

Von den Altenheimer Brücher und Brücherinnen sollen hier die bekanntesten
angemerkt werden, um sie als Persönlichkeiten unseres Dorfes kennen zu lernen
, wie sie neben ihrer Alltagsarbeit aus Interesse an der Sache oder weil die
Not sie dazu zwang, sich mit einer Materie beschäftigten, die mit ihrer eigentlichen
Berufsarbeit wenig zu tun hatte. Das allein schon machte sie für die
Nachwelt interessant.

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