Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., H 519,m
Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
66. Jahresband.1986
Seite: 496
(PDF, 109 MB)
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Denunziationen bei den Franzosen keine Seltenheit. Frau Duchilio erfuhr davon
wieder von französischer Seite. Sie hat nie davon Gebrauch gemacht.
Beeindruckend war, daß sie bei der Krankenbehandlung genau ihre Grenzen
kannte. Im Zweifelsfalle wies sie den Patienten dem Hausarzt zu, ohne selbst
aktiv zu werden.

Die „Altener Frau" war meine Nachbarin. In den 50er Jahren schickte sie mir
3 auswärtige Frauen in die Sprechstunde, bei denen sie „kein gutes Gefühl"
hatte. Wie sich herausstellte, waren 2 davon krebskrank. In den 50 Jahren ihrer
Altenheimer Tätigkeit hat sie ihre Kompetenzen nie überschritten. Das ist
das eine.

Das andere war die genaue Kenntnis der Familienverhältnisse ihrer Klienten,
die bei ihren Vorschlägen und Entscheidungen immer mit einbezogen wurde
und natürlich bei familiären Beratungen besonders zur Geltung kam. Das dritte
war ihre erstaunliche Beobachtungsgabe, verbunden mit einem psychologischen
Einfühlungs- und Beurteilungsvermögen ihrer Kunden, das immer wieder
überraschte.

Das vierte schließlich war die pedantische Exaktheit, mit der sie die pflanzlichen
Präparate verordnete. Sie gab genaue Anweisung zur Herstellung z.B.
des Tees, bestimmte die nötige Menge und die genaue Uhrzeit der Einnahme.
Das Einzugsgebiet ihrer Kundschaft reichte von Freiburg (Oberstaatsanwaltsfamilie
) über die Gemeinden des Schwarzwaldvorgebirges bis nach Nußbach
und Kappelrodeck. Wie schon erwähnt, kamen dazu viele Kunden im Elsaß.
Daß auch Kranke weitab von der Ortenau ihre Hilfe in Anspruch nahmen,
mag eine Begebenheit erhellen, die sie mir persönlich erzählte:

Um das Jahr 1936 fuhr eines Vormittags eine elegante Limousine vor ihrem
Haus in der Schlossergasse vor. Heraus stieg ein livrierter Chauffeur, der sich
nach der „Altener Frau" erkundigte. Er bedeutete, daß er den Auftrag habe,
sie für einige Tage zu einem Patienten in Norddeutschland zu bringen, mußte
sich jedoch seinem Chef gegenüber verpflichten, auf keinen Fall den Namen
des Patienten bekannt zu geben. Nach langem, begreiflichen Zögern der Frau
Duchilio einerseits und dem bestimmten, kompromißlosen Auftreten des
„Uniformierten" willigte sie schließlich ein. Der Respekt vor Uniformen im 3.
Reich mag das Seine dazu beigetragen haben, auch wenn es nur die Uniform
eines Chauffeurs war. Andererseits ist durch den Besucher auch die Neugierde
geweckt worden, wie mir die „Lutze Diin" schmunzelnd gestand. Auf jeden
Fall — los ging die Fahrt ins Ungewisse! Man fuhr stundenlang in nördlicher
Richtung durch das Rheintal. Dann verlor der Fahrgast in einer ungewohnten
Umgebung nach einer halben Tagesfahrt die Orientierung, als unvermittelt
der Fahrer in eine langgezogene Allee und an deren Ende in ein hufeisenförmiges
, schloßähnliches Anwesen einbog. Im linken Flügel desselben
hat man die Altenheimerin in einem eleganten Fremdenzimmer untergebracht
und ihr mitgeteilt, daß sie am andern Tag dem Patienten vorgestellt werden

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