Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., H 519,m
Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
66. Jahresband.1986
Seite: 538
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In der Tat glitten ein paar kleine Kerle, auf ihren Schlitten liegend, nahe an
uns vorbei. Männer, welche Bauernwagen führen, die von in gutem Zustand
befindlichen Pferden gezogen werden, zeigen sich auf der Straße.

„Das sind Armee-Pferde" erklärt mir der Kommandant. „Ungefähr 300 bis
400 wurden durch die Arbeiter- und Soldatenräte an die Bevölkerung verkauft
. Außerdem haben die Leute von hier während des Krieges an nichts
Mangel gehabt. Das Land bringt im Überfluß Kartoffeln, Tabak, Kohl hervor
und liefert ein ausgezeichnetes Viehfutter."

Wir besuchen das Dorf: Die Zeiger auf dem Ziffernblatt des Kirchturms zeigen
französische Zeit. Posten üben an den verschiedenen Ortsausgängen eine
sorgfältige Wache, und die Regeln sind streng:

1. Verbot, das Dorf zu verlassen, ohne mit ordnungsmäßigen Papieren versehen
zu sein.

2. Verbot, das Dorf abends nach 5 Uhr zu verlassen.

3. Aufhebung des Verkehrs zwischen 5 Uhr abends und 7 Uhr morgens, sofern
nicht ernstliche Gründe vorliegen.

4. Unterbrechung von abends 8 Uhr an des Verkehrs der Zivilbevölkerung im
Innern des Dorfes; die Einwohner, welche gegen diese Vorschriften verstoßen,
können von dem Kommandanten des Unterabschnitts mit Strafen von 100 bis
200 Franken oder einem Monat Gefängnis bestraft werden.

Aber das Leben geht seinen normalen Gang. An der Rathaustür unter dem üblichen
Drahtgitter sind die Heiratsaufgebote angeschlagen und nach Landessitte
mit einem Myrtensträußchen geschmückt. Die Leute, welche ab- und zugehen
, haben gutmütige runde Köpfe und schöne rote Wangen, tragen sehr
bequeme Kleidung und Hausschuhe von wirklichem Leder. Sie haben nicht
das Aussehen, als ob sie unter den Einwirkungen zu leiden gehabt hätten. Sie
nehmen die franz. Besatzung wie eine Wohltat an. Sie sehen in ihr einen sicheren
Bürgen für die Aufrechterhaltung der Ordnung, angesichts der Unordnung
, welche gegenwärtig herrscht, eine schätzenswerte Unterstützung.

In der neuen Zone wird der Ausgang der Einwohner durch die drei Prüfungsposten
von Altenheim, Sand und Rheinbischofsheim kontrolliert. In Altenheim
sprechen merkwürdigerweise etwa 10 Personen französisch.

Der Bürgermeister, Herr Wurth, besitzt ein ansehnliches Haus mit bäuerlicher
Freitreppe, reich geworden durch mühevolle Arbeit, er selbst ein pfiffiger
Bauer mit gebogener Nase und rasiertem abgemagertem Gesicht. Er ist offen.
In der gemütlichen Ecke, wo sich auf der Mauer die Photographie des Sohnes
als Soldat im Helm abhebt, läßt sich gerade seine Stimme hören: „Die französische
Besatzung ist kein Unglück. Diese Herren sind anständig, und die Araber
sind sehr höflich. Es ist mir bis jetzt keine Klage zugekommen." Und der

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