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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
68. Jahresband.1988
Seite: 50
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1988/0050
professur für altgermanische Dialekte und alemannische Mundart. Wenn man
noch mittelalterliche Literaturwissenschaft und volkskundliche Themen dazu-
nimmt, dann wird damit recht zutreffend die Eigenart seiner wissenschaftlichen
Tätigkeit in Forschung und Lehre bezeichnet.

In all seinen Äußerungen, schriftlich wie mündlich, war Ochs von einer prägnanten
Kürze. Vielleicht war gerade diese im Wissenschaftsbetrieb seltene
Knappheit ein Grund dafür, daß manche seiner oft neuartigen Ideen nicht den
gebührenden Widerhall fanden. So vertrat er bereits 1921 in einem „Vorschlag
" überschriebenen, zweiseitigen Aufsatz die Meinung, daß man an der
sprachlichen Wirklichkeit vorbeigehe, wenn man als Mundartforscher bei der
Erhebung des bodenständigen Wortschatzes als einzig rechtmäßige Träger und
Lieferanten nur die Ortsgebürtigen ansehe, die möglichst nie aus dem Ort gekommen
seien.

„Hinter all dem lauert der Verdacht", schreibt er, „der Mensch werde durch
Reisen, Soldatenzeit, Ab- und Zuwanderung für die Zwecke der eigentlichen
Mundartforschung verdorben und sei erst in seinen Kindern wieder neu bodenständig
, neu brauchbar. Diese Gewissenhaftigkeit ist löblich, aber doch eine
Gefahr. Sie ruht auf Wahnvorstellungen von der Sprache und erweckt wieder
Wahnvorstellungen. Der eigentliche Sprachträger ist nicht der festgewurzelte
Originalmensch, sondern der Gesellige mitten im Verkehr. Verkehr aber,
Handel und Heiraten in die Fremde gibt es nicht nur an Industrieplätzen, sondern
überall und hat es überall immer gegeben; hier liegt nicht die Verderbnis,
sondern der Quell des sprachlichen Lebens, den der allzu sorgfältige Mundartengeograph
unter Umständen verstopft!"7

Er macht dann den Vorschlag, durch die Verwendung der graphischen Zeichen
> und < in Sprachbeschreibungen die Herkunft und Richtung sprachlicher
Neuerungen zu kennzeichnen eine solche Bezeichnungsmöglichkeit
erlaube es, in der Mundartforschung das Moment des sprachverändernden
Verkehrs stärker zum Ausdruck zu bringen „und gleichzeitig die vielen falben
, Entwurzelten', die man bisher möglichst umging, zu Worte kommen" zu
lassen.8

Außerdem ergäben sich zwei günstige Nebenwirkungen, nämlich eine tiefere
Einsicht in die schwer faßbare Mundart und Umgangssprache der großen Städte
zu erhalten und zum andern die Möglichkeit, eine Anzahl älterer Schriftsteller
wortgeographisch auszumünzen. Ernst Ochs wirkt in diesem unkonventionellen
Vorschlag auch heute noch durchaus modern, ja er vertritt mit seiner
Betonung der Blickrichtung auf den Mundartsprecher eine Sichtweise, die erst
in der Mundartforschung der jüngsten Zeit eine zunehmend stärkere Rolle
spielt. Für ihn war immer der Mensch als Träger der Sprache wichtig und
nicht nur die Sprache an sich.

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