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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
68. Jahresband.1988
Seite: 61
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nicht mehr, daß die Franzosen gegen die Deutschen den kürzeren gezogen haben
, wenn diese so groß und stark gewachsen sind!"38

In Frankreich konnte es sich Hansjakob leisten, aus der Distanz heraus das
Wirken der katholischen Parteien kühl und neutral zu beobachten. Durch diese
unbestechliche Brille zeigte sich ihm die Unverantwortlichkeit der katholischen
Parteiführer Frankreichs, ihr anmaßender Übermut, ihr Mangel an Toleranz
, der zum Untergang des politischen Katholizismus in Frankreich führte.
Große Gefahren sah er dabei für die Kirche. In Frankreich sei die Kirche, so
schrieb er in seinen Reiseerinnerungen „In Frankreich", immer mehr in die
Abhängigkeit des Staates geraten und habe so ständig an Autorität verloren.
Durch den Kulturkampf drohe ihr in Deutschland ein ähnliches Schicksal.
Deshalb müsse er möglichst bald beendet werden39.

Zweifel hatten auf der sechswöchigen Frankreichreise Hansjakobs Herz berührt
. Zweifel an der Richtigkeit seiner bisherigen Haltung als Politiker in der
Examensdebatte. Zweifel aber führen entweder zur Klarheit oder zur Verzweiflung
! Hansjakob brachten sie in Frankreich die Erleuchtung: „Man muß
nur einmal ernstlich anfangen, nicht sich und seine Partei für fehlerlos anzusehen
!" Staat und Kirche, so seine neueste Erkenntnis, beides Grundpfeiler der
sozialen Ordnung, durften sich in Deutschland nicht als Feinde gegenüberstehen
wie in Frankreich, wo die Rivalität beider Mächte sowohl die politische
wie auch die religiöse Autorität in den Untergang gestürzt hatte40.

„Möge darum, so habe ich mehr denn einmal in Frankreich gebetet, Gott unserem
Vaterlande gnädig sein und es zum Frieden lenken zwischen Kirche und
Staat, ehe es zu spät sein wird", schrieb er in seinem Frankreichbuch41.
Hansjakobs Frankreichreise bewirkte eine weitgehende Revision seiner bisherigen
politischen Haltung. Unter dem Eindruck der neugewonnenen Erkenntnisse
gewandelt, änderte sich seine Einstellung vollends während seiner
Italienreise im Jahre 187842.

Über Reggio und Ciano d'Enza zur mächtigen Burgruine von Canossa emporgestiegen
, überließ sich Hansjakob nur kurz dem überwältigenden Blick des
historischen Bauwerks und der Landschaft, um sich unmittelbar darauf mit
dem weltgeschichtlichen Drama auseinanderzusetzen, das sich hier zwischen
Kaiser Heinrich IV. und Papst Gregor VII. zugetragen hatte. Der Historiker
Hansjakob konnte diesen hochwichtigen Akt der Weltgeschichte nicht losgelöst
von der Gegenwart und dem immer noch nicht beigelegten Kulturkampf
betrachten. Er beschloß das Kapitel „Canossa" in seinem Reisetagebuch „In
Italien" mit dem Satz, der von nun an seine politische Überzeugung manifestierte
: „Der Kampf zwischen Kirche und Staat kommt erst dann zu einem Ende
, wenn beide völlig frei und unabhängig voneinander erkennen, daß beide
in Harmonie auf dem Fundament bauen müssen, das Jesus Christus gelegt
hat."43

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