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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
68. Jahresband.1988
Seite: 182
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cherung u.a. — können uns das Ungesichertsein gar nicht mehr vorstellen,
auch nicht, wie dankbar jene Menschen jegliche Hilfe empfunden haben. Wir
wollen ganz absehen von der Tatsache, daß im Armenhaus stets die Ärmsten
der Armen Unterkunft und Verpflegung fanden, daß jährlich ein bedürftiges
Mädchen bei der Verehelichung 300 fl (später 514,— Mk) erhielt, daß arme
Jungen ein Handwerk lernen konnten, weil der Fonds das Lehrgeld und eventuell
die Kleidung übernahm — allein was die Stiftung in der eigentlichen Armenunterstützung
leistete, ist ein Ruhmeslied in unserer Dorfgeschichte. Die
ärztliche Versorgung, auch die Versorgung mit Medikamenten, wurde vom
Fonds getragen, viele Jahre durch die Tätigkeit der sogenannten Chirurgen
oder Bader (genannt werden Rest und Zapf), später in der zweiten Hälfte des
19. Jahrhunderts nahm der Fonds Ärzte unter Vertrag, damit die Armen ärztlich
versorgt wurden. Viele Jahre übte diese Tätigkeit ein Dr. Kunzer in Offenburg
aus, ab 1898 Dr. Kaiser in Niederschopfheim. Laufend erhielten
Ortsarme Kleidung, Schuhwerk, Nahrung auf Kosten des Fonds. Man war
darin wirklich nicht kleinlich. Die Fondsrechnungen weisen immer wieder Posten
auf wie: für Wein an Rößlewirt oder Engelwirt für Arme und Kranke, ein
Mal werden sogar 4/2 Flaschen Champagner gewährt! Oft wird die Wohnungsmiete
übernommen, Hilfe für Durchreisende und Fremde ist selbstverständlich
, sehr oft werden die Begräbniskosten übernommen vom Sarg über
Totengräber bis zum Mesner. Ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts häufen
sich die Fälle von Unterbringungen in Heimen (Illenau, Emmendingen,
Erziehungsheime), in Krankenhäusern — der Fonds muß die Kosten übernehmen
, da keine eigenen Mittel vorhanden waren. Auch Beihilfen zu Kuren werden
allmählich gewährt. So erhalten zwei Frauen eine Beihilfe zum Besuch des
Landesbades in Baden-Baden von 50, - und 70, - Mk (1895), dann wieder für
einen Aufenthalt in Bad Dürrheim. Daneben unzählige kleinere Unterstützungen
in Barbeträgen, zeitweise nehmen diese einen großen Raum ein. Aber was
in den Rechnungen besonders auffällt, ist das Gebiet der Nachbarschaftshilfe,
wie wir es heute nennen würden. Pflegebedürftige und alleinstehende mittellose
Mitbürger wurden in eine Familie zum Unterhalt und zur Pflege gegeben,
der Armenfonds trug die Kosten. Es kommt dies immer noch billiger als die
Unterbringung in einem Heim, wobei man bedenken muß, daß es nur wenige
Heime gab. Oder wenn verwaiste Kinder „verstellt" werden mußten: der
Fonds sorgte dafür und gewährte die Mittel, wo es notwendig war. Man gab
sogar einmal einer Frau, die nach Amerika auswandern wollte, das Fahrgeld
und einem Jungen, der zu seinem Vater nach Algerien wollte, einen Teil des
Fahrgeldes!

Das Gesagte läßt nur einen kleinen Einblick in das ganze Unterstützungswesen
des Fonds damals erkennen. Das Bezirksamt Offenburg hat in den 80er Jahren
des vorigen Jahrhunderts mehrmals daraufhingewiesen, daß es nicht Aufgabe
des Armenfonds sei, die ganze Armenunterstützung zu tragen, das sei vielmehr
Aufgabe der Gemeinde. Der Armenfonds könne und solle nur jährlich

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