Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., H 519,m
Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
68. Jahresband.1988
Seite: 185
(PDF, 112 MB)
Bibliographische Information
Startseite des Bandes
Zugehörige Bände
Regionalia

  (z. B.: IV, 145, xii)



Lizenz: Creative Commons - Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0
Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1988/0185
kann." Im gleichen Bericht steht auch folgende Rechtfertigung: „Wenn dieser
Rückstand auch groß erscheint, so muß doch eben der jetzigen Zeitlage Rechnung
getragen werden. Die Kapitalien stehen ja meistens nur bei geringer bemittelten
Landwirten aus; diese hatten zu kämpfen mit Noth und
Nahrungssorgen genug und dieselben jetzt gänzlich ruinieren zu wollen oder
sollen, kann nicht in unserem Interesse liegen. Unsere Fehljahre in Kartoffeln,
Frucht und Wein sind bekannt, darum ist Nachsicht geboten. Bei besseren Zeiten
, die ja auch wieder kommen werden, hat sich der Landwirt und Rebmann
bald wieder erholt. Sieben Jahre soll man einem Rebmann borgen." Dahinter
schreibt der Revisor: „Phrasen"!!! So kann nur ein Beamter in gesicherter
Stellung sprechen!

Auf eine in heutiger Sicht unverständliche Seite dieser Stiftung muß noch hingewiesen
werden. Die zwei edlen Stifter, beides eifrige Pfarrer der Pfarrei,
hatten ihr wohltätiges Werk „der Gemeinde" vermacht. Es gab damals halt nur
eine Gemeinde, sie war nicht geteilt in politische und kirchliche Gemeinde, alle
Aufgaben der Gemeinde wurden gemeinsam gelöst (z.B. auch der Kirchenbau
1763). Eine Trennung von Geistlichem und Weltlichem war damals
einfach undenkbar. So wurde auch die Stiftung friedlich und gemeinsam verwaltet
von der kirchlichen und weltlichen Obrigkeit (Pfarrer und Vogt oder
Bürgermeister), unterstützt vom gewählten Armenrat (Stiftungsrat). Erst dem
19. Jahrhundert blieb es vorbehalten, die gemeindliche Einheit auseinanderzu-
reißen. Der liberale und weithin kirchenfeindliche Staat drängte den Einfluß
der Kirche auf allen Gebieten immer mehr zurück. Der erste Schritt, die Armenfürsorge
allein den politischen Gemeinden aufzubürden, erfolgte 1836. In
der Rechnung des Fonds von diesem Jahr heißt es: der hiesigen Gemeindekasse
sind nach getroffener Übereinkunft, nachdem die Armen-Unterstützung
„jetzt zum größten Theil auf der Gemeindekasse liegt, die übereingekommene
Summe von jährlich 124 fl bezahlt worden." Diese 124 fl wurden von da an
jedes Jahr an die Gemeindekasse überwiesen als Beitrag des Fonds zur Armenunterstützung
. Trotzdem mußte der Fonds die Armenunterstützung im bisherigen
Umfang weiterführen! Der stärkste Einschnitt erfolgte dann 1870. In
diesem Jahr geht auf eine obrigkeitliche Anordnung hin die Verwaltung des
Fonds auf die Gemeinde über. Der Pfarrer scheidet aus der Verwaltung aus,
ebenso der gewählte Armenrat. Bürgermeister und Gemeinderat übernehmen
die beschlußfassende Verwaltung. Die Begründung des Großherzogl. Verwaltungshofes
in Bruchsal am 4. 8. 1871: „Die obige Stiftung ist für die Aussteuerung
armer Mädchen in Hofweier bestimmt, demnach eine weltliche (!)
Ortsstiftung, welche zufolge der Bestimmungen im II. Abschnitt des Stiftungsgesetzes
vom 5. 5. v.J.'s nunmehr vom Gemeinderathe zu Hofweier zu verwalten
ist... und die unmittelbare Aufsicht der dortigen Stelle zusteht." Man
kann es auch so drehen, wenn man die richtige Brille aufhat! Daß es sich um
eine rein kirchliche Stiftung handelte, interessierte diese liberalen Beamten
nicht. Ob sich die beiden Stifter nicht im Grab herumgedreht haben?!

185


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1988/0185