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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
68. Jahresband.1988
Seite: 235
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danach — wie sich herausstellte - doch nicht die letzte war. Die Kinzigtalbahn
— seit einem Jahr fertiggestellt — dampfte durch das obere Kinzigtal; lebendig
und kraftvoll ihren Alleinvertretungsanspruch verkündend. Und die Waldbauern
des Umlands wollten lange schon ihr Holz nicht mehr dem Wasser anvertrauen
. Sie waren im Kampf um bessere Straßen erfolgreich gewesen:
Verbesserte Fahrbahnen, die Streckung der Ränke, die Verstärkung der
Brücken, der Bau von schwiggbaren Nachläufern erlaubten nun den Landtransport
auch größerer Stämme. Die Stämme mußten nicht mehr gelocht werden
, sie brachten als ungewässertes Holz pro Raummeter 2 Mark mehr als das
gewässerte, was fast dem Lohn eines Tagelöhners entsprach. Vgl. Fußnote 3.

Und draußen vor den Toren der Stadt, auf dem Galgengrün, war ein Arbeitgeber
des Industriezeitalters erwachsen, die Zellulosefabrik, die fünfmal so viel
Arbeitsplätze anbot, wie die Flößerei je angeboten hatte. Für mehr als 30 Jahre
nahm die „Zellulose" das Arbeitsmarktpotential der Stadt und des Umlandes
auf und das ganzjährig. Sie kaufte riesige Mengen des heimischen Rohstoffes
Holz auf, veredelte sie vor Ort, verkochte „zu Zellstoff ganze Wälder".

Statt im Floßhafen am Herlinsbach türmten sich in Wolfach nun auf dem Holzlagerplatz
am Bahnhof Berge von Scheitholz, lagerte dort Langholz in riesigen
Poltern und konnte leicht von der Rampe auf die Schemelwagen der Bahn gerollt
werden. Die Bahn kannte keine Floßferien im Sommer und keine Winterruhe
, sie kannte weder Störungen durch Hochwasser und Eisgänge noch durch
Wasserklemme. Gewünschte Lieferzeiten waren ganzjährig und präzise einzuhalten
. Das Dampfroß transportierte das Holz in Stunden so weit, wie das Floß
in Tagen. Der Sieg des Besseren über das Gute war nicht aufzuhalten, der
Kampf des kochenden gegen das fließende Wasser wurde ohne Erbarmen nach
den Gesetzen des Marktes zugunsten des Neuen beendet. Kein kommentierendes
Wort verlor der „Kinzigthäler", der sonst über alles und jedes berichtete,
1887 über die Kinzigflößerei vor 100 Jahren. Warum sollte man sich auch in
Wolfach über das Ende der Wolftalflößerei aufregen, man ging doch schon mit
dem Gedanken schwanger, auch das Wolftal durch eine Bahnlinie zu erschließen
. Nur ältere, direkt von Arbeitslosigkeit bedrohte Floßknechte, die ihre Tätigkeit
am Fluß und auf dem Fluß nicht mehr mit der Arbeit in der dunstge-
schwängerten Fabrikhalle vertauschen wollten oder konnten, trauerten voll
Wehmut um die dahinsiechende Flößerei. Die Schiffsherren, auch Theodor
Armbruster, waren klug genug, die Zeichen der Zeit richtig zu deuten. Sie
wickelten gar bald ihre Holzhandelsgeschäfte auf Achse und Schiene ab. Selbst
der auf Traditionspflege eingestimmte, verdienstvolle Chronist der Stadt, Ehrenbürger
Franz Disch, fand keine Worte der Trauer, als er — die Zeitmei-

Fußnote 3

Jeder Stamm wurde an Zopf und Stock (dünnes bzw. dickes Ende) mindestens einmal durchbohrt
. Mit der Lochaxt wurden die scharfen Kanten der Löcher gebrochen, so daß die „Wieden",
aus Baumstämmchen gedrehte Holzseile, bei der Floßfahrt in den „Augen" = Bohrlöchern nicht
so schnell durchgerieben, durchgescheuert werden konnten.

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