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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
68. Jahresband.1988
Seite: 237
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Flößer eine besondere Zunft. Ganz sicher waren die Männer vom Fluß besondere
Kerle, besaßen sie hervorstechende Berufstugenden wie Körperkraft, Gewandtheit
, Ausdauer, Geistesgegenwart und Mut. Was sie aus der Reihe ihrer
Mitbürger heraushob, war die Tatsache, daß sie auf Reise gingen, daß sie über
den eigenen Kirchturm hinaussahen, daß sie weiten Horizonten entgegenfuhren
, die große Welt draußen erlebten und vielfältige Kontakte anknüpfen konnten
, daß sie — zurück von der Transportfahrt — viel zu erzählen und zu
berichten hatten, was andere zum Staunen brachte.

Doch die Erinnerungen an das Vergangene wurden schnell verklärt, wurden
von Ahnenstolz vergoldet. Lokalpatriotismus wirkte überhöhend, Phantasie
und Sprachkraft von Schriftstellern — ich denke vor allem an Heinrich Hansjakob
— idealisierten, verschoben Gewichte, verliehen dem gefahrvollen, real
aber knochenharten Leben der Flößer poetischen Glanz. Der Reiz des Besonderen
, der Hauch des Abenteuerlichen spricht ebenfalls bis heute aus den Bildern
der Malerprofessoren Eyth, Hasemann, Liebich und denen des Wolfacher
Heimatmalers Eduard Trautwein. Vgl. Fußnote 4

Auch viele in ihrem Beruf als Flößer ergraute Veteranen haben mitgeholfen,
ein romantisierendes Bild zu erzeugen und fortzutragen. Sie konnten das freie
Leben auf dem Polterplatz, auf den rauschenden Wogen nie vergessen und
schwelgten in alten Erinnerungen, von Kämpfen mit den Urgewalten des Wassers
, von den Unbilden des Wetters, von Heldentaten auf den Fahrten ins
Land. Zusammenfassend kann ich sagen: der alten Dame Flößerei — man beachte
den weiblichen Artikel — hat man im Laufe der Jahre kräftig Puder,
Schminke und Farbe aufgelegt, man hat bei der Weitergabe der Erinnerungen

Fußnote 4

Zu den „Überhöhungen" gehört zweifellos auch die in Wolfach und anderswo tradierte Vorstellung
, daß die Kinzigtäler Flößer auf eigenem Holz und Floß bis in die Niederlande durchgefahren
sind. Dies war allein aus floßtechnischen Gründen gar nicht möglich.

Begründung: Die recht lose verbundenen, gesterreichen Kinzigflöße konnten nur bei geringen
Wassertiefen sicher gesteuert werden (man benötigte eine Mindesttiefe von 60 — 80 cm!), denn
ihre Steuerhilfen Richtgester, Sperrstümmel und Hakenstange konnten nur wirken, wenn eine sichere
und rasche Kraftübertragung (Wasserwiderstand!) zum Flußboden oder zur Uferböschung
möglich war.

In breiten, tiefen Gewässern — z.B. auf dem Rhein — war man auf Ruder- und/oder Ankersteuerung
angewiesen. Die hierbei auftretenden Steuerkräfte konnten aber nur auf in sich völlig steife
Floßtafeln übertragen werden. Locker gebaute Flöße mit ihrer Beweglichkeit, ihrer „Schlenkerung
", konnten auf ihrer ganzen Länge jedoch nicht durch Ruder beeinflußt werden; sie hätten
nicht „gehorcht". Deshalb haben schon die Willstätter Floßknechte die Schwarzwaldflöße zumeist
in ruderbare „steife Böcke", feste Floßkörper, umgebaut. Dabei legten sie, um solche festen
Flöße zu erhalten, ihre Stämme nicht mehr Zopf neben Zopf und Stock neben Stock, sondern
wechselten die Stammlage (Zopf-Stock, Stock-Zopf) fortwährend. Diese Flöße konnten nach der
Verführung rheinabwärts zu noch größeren, wiederum in sich völlig starren, gewaltigen Rheinflößen
(300 x 50 m) umgerüstet werden.

Kinzigflößer heuerten aber sehr oft bei Rheinschiffern an und konnten so Rhein und die Niederlande
auf diese Weise kennenlernen und erleben.

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