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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
68. Jahresband.1988
Seite: 338
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Mängel gab es auch in der Versorgung mit Schuhen. Die Schuhmacher hatten
keine Nägel, kein Garn, keinen Faden mehr, und auch die anderen Handwerker
klagten über den absoluten Mangel an Material, der auch die notwendigsten
Reparaturen kaum zulasse. Für die 30 Wohnungssuchenden versuchte die
Gemeinde unter anderem durch den Einbau von Holzwänden in großen Räumen
Notwohnungen einzurichten, „bis es wieder möglich ist, neuen Wohnraum
zu schaffen". G. Trautwein versäumte es in bezug auf die ganzen
Versorgungsmängel auch nicht, darauf hinzuweisen, „daß wir in Baden am
Schwänze seien, und es für uns besser wäre, wenn wir am Schwänze von
Württemberg wären, da es uns dort besser ginge". Ein heikles Thema war die
in der anschließenden Debatte angesprochene Entnazifizierung. Für die von
dem ersten, 1945 eingesetzten Ortsausschuß gefällten Beurteilungen hatte der
Bürgermeister durch Briefe und persönliche Vorsprachen bis nach Freiburg
Revision durchsetzen wollen, bisher ohne Erfolg. Jetzt betonte er öffentlich,
„die Entnazifizierung würde das Volk nur noch weiter spalten. Wir würden
alle wissen, daß wirklich Schuldige bestraft werden müßten, aber dann müßte
den Verurteilten auch die Möglichkeit der Verteidigung gegeben werden. Was
hier geschehe, sei... die krasseste Diktatur".

Wegen dieser kritischen Stellungnahme sowie wegen eines Tumults am Ende
der Bürgerversammlung um den ehemaligen Bürgermeister P. Wolber, der die
Schiltacher Sportler beleidigt hatte, wurde G. Trautwein einige Tage später
auf das Gouvernement in Wolfach bestellt, wo er sich bei Gouverneur de Luc
zu rechtfertigen hatte. Das scheint ihm auch voll und ganz gelungen zu sein,
entließ dieser ihn doch mit dem Satz: „Behalten Sie auch fernerhin Ihren Mut
so bei".59

G. Trautwein hatte zu diesem Zeitpunkt seinen eigenen Entnazifizierungsbescheid
noch nicht erhalten, doch wußte er, daß der erste von seinem Vorgänger
P. Wolber eingesetzte „Ortsausschuß für Entnazifizierung" ihn wegen seines
Funkunterrichts („HJ-Kriegsausbilder") und seines Kommandos im Volkssturm
(„Militarist") stark belastet hatte. In Eingaben an den Ermittlungsausschuß
in Wolfach und den dortigen französischen Gouverneur versuchte er
sein damaliges Verhalten zu rechtfertigen und konnte nicht anders, als böswillige
Verleumdung und Lüge hinter diesem Urteil zu vermuten. Daß der im
April 1947 zugestellte Bescheid ihn dennoch in die Kategorie der „Minderbelasteten
" einstufte und ihm als Strafe den Einzug von 30 Prozent seines Vermögens
, Entzug des Führerscheins, Verbot des Haltens eines PKW und 5
Jahre Berufsverbot zudiktierte, war für ihn ein Schock. Zwar ging er bei der
Spruchkammer in Freiburg sofort in Revision, hierbei unterstützt durch eine
einstimmige Eingabe des Schiltacher Gemeinderates und aller vier Parteien,60
doch ließ sich sein einstweiliger Rücktritt als Bürgermeister nicht vermeiden,
zumal noch eine andere Anzeige gegen ihn bei der Besatzungsmacht eingegangen
war.

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