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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
68. Jahresband.1988
Seite: 343
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te." Nicht daß Bürgermeister Trautwein, der aus seiner Südweststaateinstellung
keinen Hehl machte, den Staatspräsidenten hätte brüskieren wollen:
„Jedem andern Herrn (wäre) es genauso ergangen, da wir auf dem Standpunkt
stehen, daß Demokratie sich nicht in Äußerlichkeiten verlieren darf". „Ehre"
habe dagegen auch ein heutiger Staatspräsident verdient, „haben wir doch zur
Genüge noch jenes Geschrei in den Ohren, das unsern ersten Reichspräsidenten
Ebert als Sattlergesellen nominierte und damit die erste deutsche Republik
mit Füßen trat".70 Und ehrenvoll waren der Empfang und das herzliche Willkommen
durchaus, die der Schiltacher Bürgermeister zu der auf dem Rathaus
abgehaltenen Feierstunde bot. Nicht daß G. Trautwein in seiner Rede71 die
429jährige Zugehörigkeit Schiltachs zu Württemberg zu erwähnen vergessen
hätte, auch nicht die zahlreichen Familienbande und die Verbindungen von
Schiltachs Gewerbe, Handel und Industrie mit dem Land „östlich der gelbroten
Grenzpfähle", die nur „durch die Zwangwirtschaft während und nach den
beiden Kriegen gestört wurden". Flößerei, Bergbau und ein starkes Handwerk
seien früher die Erwerbszweige in Schiltach gewesen, wo man 1848/49 sich
auch führend an der deutschen Revolution beteiligt hätte. Schwere Blutopfer
verlangte der 2. Weltkrieg (128 Gefallene und 42 Vermißte), wogegen die materiellen
Kriegsschäden gering blieben, auch auf Grund des Einsatzes „einer
Handvoll Männer", die im entscheidenden Moment Zerstörungen an den
Brücken, Gebäuden und vor allem an der Bevölkerung verhüteten. Wohnungssuche
einerseits, die Belegung des knappen Wohnraums durch Evakuierte,
Flüchtlinge und Ausländer andererseits seien die Hauptprobleme, die man in
sozialer und politischer Hinsicht nicht ernst genug nehmen könne. Es sei ein
unhaltbarer Zustand, die aus ihrer Heimat Vertriebenen auf engstem Räume
mit den Altbürgern zusammenzupferchen und so eine Atmosphäre zu schaffen,
„die für beide Teile nicht gut ist". Es gelte vor allen anderen Dingen, Mittel
und Wege zu finden, um den Flüchtlingen Eigenheime zu geben. Er schloß mit
den Worten: „Gebe Gott, daß die Welt endlich einmal einsieht, daß die immer
wiederkehrende Gewaltanwendung gegenüber dem natürlichen Recht nur vorübergehende
Vorteile bringt und den ewigen Ablauf aller Dinge nicht zu stören
vermag, der dem Recht immer wieder zum Sieg verhilft".

Der Bürgermeisteralltag war auch danach mehr denn je durch das Flüchtlingsproblem
geprägt. Schiltach sollte zu den bereits aufgenommenen 150 Flüchtlingen
, 60 Ausländern und den zahlreichen, nach dem Krieg hier gebliebenen
Evakuierten im Herbst 1949 weitere 75 Personen aufnehmen, und für das
kommende Frühjahr waren nochmals 150 angekündigt. „Ich habe dem Herrn
Landrat bereits gesagt, daß es besser wäre, er würde für diese Zeit alle Bürgermeister
suspendieren und deren Platz mit einem Gendarmen besetzen, denn
mit Demokratie hat das nichts mehr zu tun, was man uns jetzt zumutet. Wir
müssen, ob wir wollen oder nicht, in das im Grundgesetz und in der südbadi-
schen Verfassung garantierte Hausrecht des einzelnen eingreifen und den
Hausfrieden stören".72 Ob man nicht aus der Schweiz zu billigem Zinssatz

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