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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
68. Jahresband.1988
Seite: 361
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bensführung und Pflichterfüllung sein. „Katastrophenstimmung" hielt er für
„irrsinnige Selbstvernichtung". Grundübel der deutschen Wirtschaft sei eine
„inflationistische Verseuchung" und der Leichtsinn, aus den schwebenden
Schulden nicht herausgekommen zu sein. Schumann erkannte die fast unlösbare
Klemme der städtischen Finanzen.

Mit diesen beiden Reden wies sich Schumann als ein Mann aus, der dem linken
Flügel des Zentrums zuzurechnen ist, der eher in der SPD als in den rechtsbürgerlichen
Parteien oder gar in der NSDAP den Bündnispartner suchte.

Seine ersten Kritiker kamen aber von der kommunistischen Seite. Als sich im
Jahre 1932 die Not für die Erwerbslosen zuspitzte, wurde ein „Erwerbslosenausschuß
" gegründet, den der Gemeinderat als Ansprechpartner zunächst
akzeptierte. Er forderte von der Stadt eine Erhöhung der Erwerbslosenunterstützung
, worauf der Bürgermeister auf den 29. September 1932 eine Sitzung
des Bürgerausschusses anberaumte, um die städtischen Finanzen offenzulegen
und zu zeigen, daß diese Forderung unmöglich erfüllt werden konnte.

Im Vorfeld dieser Sitzung kam es zu Versammlungen und Demonstrationen
des Erwerbslosenausschusses, wobei Sprechchöre wie „Wir haben Hunger"
oder „Gebt uns Arbeit und Brot" ausgestoßen wurden. Die bürgerlichen Gemeindeverordneten
fühlten sich dadurch bedroht, so daß der Bürgermeister die
Öffentlichkeit von der Sitzung ausschloß. Daraufhin veranstalteten die Kommunisten
eine Demonstration vor und hinter dem Rathaus mit ca. 100 Teilnehmern
, in deren Verlauf ihr Organisationsleiter Wilhelm Schmidt von den
Stufen des Rathauses aus eine Rede hielt.90 Im Rathaus verlief die Sitzung
ebenfalls recht stürmisch. Nachdem der Bürgermeister die Zahlen über Unterstützungsleistungen
der Stadt aufgeführt hatte, erhob der KPD-Gemeinderat
Rudolf Ganz folgende zusätzliche Forderungen: Übernahme der vollen Mietzahlungen
und von Schuhreparaturen durch die Stadt sowie Ersatzkleidung
und Lebensmittel für Wohlfahrtserwerbslose und Fürsorgearbeiter. Danach
„schildert er in eindringlichen, leider nicht immer gut verständlichen Worten
die Not und das Elend in den Familien der Erwerbslosen". So berichtet Josef
Fuchs, Gemeindeverordneter der Freien Wählerschaft, in seiner Zeitung.91
Der Sprecher des Erwerbslosenausschusses und KPD-Ortsgruppenleiter Karl
Schnaider trug folgende Zahlen vor: ein Fürsorgearbeiter erhalte für die Familie
mit zwei Kindern 58 Mark monatlich; davon gehen 4 Mark für Miete ab.
Bei allem Verständnis für die Schwierigkeiten der Stadt fragte Schnaider:
„Aber sollen wir verhungern?" Zum Schluß seiner Ausführungen bezeichnete
er den Ausschluß der Öffentlichkeit als nicht gerechtfertigt. Die Sprechchöre,
durch die die Demonstranten ihre Forderungen bekräftigten, seien keinesfalls
als Drohungen gemeint gewesen. Der wahre Grund für den Ausschluß sei vielmehr
, daß die Erwerbslosen die Einstellung einzelner Gemeindeverordneter
nicht hören sollen. Alle eindringlichen Reden änderten nichts an der Entscheidung
der Gemeinderatsmehrheit, die Forderungen des Erwerbslosenausschusses
wegen der Haushaltslage abzulehnen.

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