Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., H 519,m
Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
68. Jahresband.1988
Seite: 374
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VI. Zell — eine Hochburg der Gemäßigten?

Bei aller unterschiedlicher Beurteilung der Verhältnisse in der Endphase der
Weimarer Republik sind sich alle befragten Zeitgenossen in einem Punkt einig
: der politische Kampf schlug zwar auch in Zell hohe Wellen, aber er blieb
im allgemeinen frei von Gewalt.

Sicherlich war die überschaubare Größe der Stadt, in der jeder jeden kannte,
mit ein Grund für die relativ maßvollen Auseinandersetzungen. Ohne die wirklich
schwierige Notzeit vor allem für die Arbeiter und Kleinbauern zu unterschätzen
, rührt die gemäßigte Haltung auch der meisten politisch engagierten
Bürger wohl auch von der Tatsache her, daß beinahe jeder eine Möglichkeit
besaß, zu Lebensmitteln zu kommen, sei es durch eine eigene kleine Landwirtschaft
oder einen Garten, sei es durch Arbeiten in der Landwirtschaft gegen
Naturallohn. Andererseits darf aber auch nicht unterschätzt werden, daß die
Auseinandersetzung um Unterstützungsleistungen und Löhne die Menschen
viel direkter betraf als heute, da die soziale Sicherung noch weit unvollständiger
war. Solidarität untereinander war gefordert, was die Verbundenheit der
Gleichgesinnten noch erhöhte. Das „Milieu" war ausgeprägt und umfaßte
durch das klassenspezifische Vereinswesen auch den privaten und Freizeitbereich
. Entsprechend prallten die politischen Gegensätze auch unvermittelter
aufeinander. Dabei war die Kommunistische Partei die eigentliche Opposition
in Zell, sowohl was die parteimäßige Organisation als auch was die Vertretung
in den Parlamenten anging. Sie repräsentierte die Schicht der am stärksten von
der Krise Betroffenen, der Arbeitslosen.

Die Nationalsozialisten wurden lange als Teil des bürgerlichen Blocks betrachtet
und betrachteten sich selbst als solchen: sie kandidierten auf den bürgerlichen
Listen. Die örtliche Gruppe wurde eher durch überregionale Ereignisse
und durch Auftreten auswärtiger Parteiprominenz in den Mittelpunkt gerückt,
während die kommunistische Ortsgruppe aus eigener Stärke und mit einer
selbst organisierten Struktur die kommunalpolitische Bedeutung erlangte, die
dazu führte, daß bei der letzten wirklich freien Reichstagswahl im November
1932 die KPD zur zweitstärksten Partei in Zell wurde.

Diese Untersuchung stützt die Beobachtungen von Farris, wonach die Stärke
der beiden Flügelparteien in Abhängigkeit von der örtlichen Organisation zunimmt
oder stagniert. Erst das öffentliche Auftreten, sei es durch auswärtige
Redner, sei es durch den Aufbau einer eigenen Kommunikationsstruktur bringt
die Erfolge, die zu Lasten der nicht konfessionellen Parteien gehen, vor allem
der SPD und der bürgerlichen Parteien.

Die Uneinigkeit des bürgerlichen Lagers, wie sie sich in den Bürgermeisterwahlen
1931 und im Kommunalwahlkampf 1930 zeigte, spiegelt die Unsicherheit
des von Deklassierung bedrohten Mittelstandes. Gerade die noch
selbständigen Handwerker und Landwirte, die die politische Führungsschicht

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