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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
68. Jahresband.1988
Seite: 378
(PDF, 112 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1988/0378
Judenpogrom in der Ortenau

Zum 50. Jahrestag der ,,Reichskristallnacht"
Manfred Hildenbrand

Zwei uns heute gespenstisch erscheinende Szenen: Im April 1933 ziehen das
Jungvolk und die Hitlerjugend am Haus des jüdischen Geschäftsmannes Alfred
Moses in der Kleinstadt Haslach im Kinzigtal vorbei und singen das NS-
Hetzlied ,,Wenn das Judenblut vom Messer spritzt, ei, da geht's nochmal so
gut!" Und im Mai 1933 marschieren SA und SS im Siegesschritt durch das
Kinzigtalstädtchen und brüllen im Chor „Deutschland erwache, Juda verrecke
!"1 — Was sich 1933 in Haslach ereignete, waren keine Einzelerscheinungen
, auch in vielen anderen Gemeinden der Ortenau wurde schon damals
von den NS-Machthabern ein böser Antisemitismus geschürt2, der schließlich
zum „Holocaust" führte.

Das Judenpogrom vom 9./10. November 1938, das sich dieses Jahr zum 50.
Male jährt, war der erste Höhepunkt und gleichzeitig Wendepunkt der Judenverfolgung
während der Nazi-Gewaltherrschaft. Damals fing der offene und
organisierte Terror gegen die Juden an, begann die zynische Taktik der wirtschaftlichen
Ausbeutung der jüdischen Bevölkerung, begann der direkte Weg
in die Phase der „Endlösung" der Judenfrage, die mit der Ermordung von 6
Millionen europäischen Juden endete.

Was sich hinter der eher verharmlosenden Bezeichnung „Reichskristallnacht"
verbirgt, ist eine Nacht des menschenverachtenden Terrors, der von Hitler und
Goebbels nach dem Attentat des siebzehnjährigen Juden Herschel Grynspan an
dem Gesandtschaftssekretär Ernst vom Rath in Paris inszeniert wurde. Die
furchtbaren Ereignisse des Novembers 1938 dürfen nicht dem heute weit verbreiteten
Hang des Verdrängens und Vergessens zum Opfer fallen, mit dem
in unseren Tagen oft Vergangenheitsbewältigung versucht wird.3 In der Nacht
vom 9. zum 10. November 1938 brannten die Synagogen, wurde das Eigentum
einer ganzen Bevölkerungsgruppe buchstäblich in Scherben und Trümmer zerschlagen
(deshalb die von den Nazis erfundene Bezeichnung „Reichskristallnacht
"), wurden Tausende von jüdischen Bürgern willkürlich verhaftet. In
einem Bericht vom 11. November 1938 an Göring bezifferte Heydrich, daß
im ganzen Deutschen Reich etwa 7500 jüdische Geschäfte zerstört oder ausgeplündert
, etwa 250 Synagogen angezündet oder demoliert sowie rund 30000
Juden verhaftet wurden. Allein der Wert der zerschlagenen Fensterscheiben
soll nach diesem Bericht zirka 10 Millionen Reichsmark betragen haben. Den
gesamten Schaden der „Reichskristallnacht" schätzte Heydrich auf mehrere
hundert Millionen Reichsmark.4 Das Oberste Parteigericht der NSDAP mußte

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