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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
68. Jahresband.1988
Seite: 380
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Arbeiter in den Offenburger Betrieben aufgefordert, sich an der Aktion zu beteiligen
. Gegen 17 Uhr rotteten sich am ehemaligen Gasthaus Palmengarten"
(Ecke Hauptstraße / Unionsrampe) eine Menschenmenge von etwa 200 Personen
zusammen, unter ihnen zahlreiche SA- und SS-Leute. Sie drangen in das
Cafe Weil in der Blumenstraße ein, in dem sich die Offenburger Juden trafen,
nachdem ihnen der Besuch der Gaststätten verboten worden war. Die randalierende
Menge schlug in dem Lokal alles kurz und klein. Danach zog der Demonstrationszug
unter Absingen von NS-Kampfliedern zur Synagoge und
zerstörte die ganze Inneneinrichtung. Die zerstörten Kultgegenstände und Gebetsbücher
wurden auf den Rathausplatz geschleppt und dort verbrannt. Anschließend
wurden zahlreiche jüdische Geschäfte gestürmt und ihre
Schaufensterscheiben eingeschlagen.7 Im Dreikönigssaal fand noch eine
Kundgebung statt, bei der die aufgeputschte Menge wiederholt brüllte „Juda
verrecke!"

Am folgenden Tage, dem 11. November, wurden alle männlichen Juden Of-
fenburgs über 16 Jahren, etwa 70 Personen, von der SS verhaftet und in den
Gefängnishof gebracht. Dort mußten sie sich mancherlei Demütigungen gefallen
lassen. So zwang man sie, ausgewählte Kapitel aus Hitlers „Mein Kampf"
vorzulesen. Gegen Abend wurden sie von der SS zum Bahnhof getrieben. Einigen
Juden wurden in brutaler Weise die Hüte vom Kopfe geschlagen und
zum Hohn Zylinder aufgesetzt. Immer wieder wurden sie von einer aufgehetzten
Menge, die am Straßenrand stand, beschimpft und ihnen ins Gesicht gespieen
. Die festgenommenen Juden mußten das Lied „Muß i denn, muß i denn
zum Städtle hinaus" mit dem Refrain „Der Jud muß naus" singen. Wer sich
weigerte zu singen, wurde mit Schulterriemen geschlagen und mit Füßen getreten
. Ein Sonderzug brachte die Offenburger Juden ins KZ Dachau. Nach einigen
Wochen wurden sie wieder entlassen. Drei jüdische Bürger Offenburgs
starben an den Folgen des Pogroms.

Ähnliche beschämende Ereignisse geschahen damals auch in anderen Gemeinden
der Ortenau, so beispielsweise in Kehl, in Bodersweier8 und in Lahr.9 In
Lahr warfen Mitglieder der Gebietsführerschule der Hitlerjugend am frühen
Morgen des 10. Novembers 1938 die Schaufenster der jüdischen Geschäfte ein
und zerschlugen mit Steinen die Wohnungsfenster der jüdischen Bürger, warfen
Möbel aus den Wohnungen sowie die Kultgegenstände aus dem jüdischen
Kultraum auf die Straße. Sie zerrten mit roher Gewalt die jüdischen Männer
aus ihren Wohnungen und schlugen sie blutig. Mit den Juden aus den umliegenden
Dörfern Schmieheim, Kippenheim und Nonnenweier wurden sie auf
Lastwagen durch die Stadt gefahren. Die Lahrer Lehrer wurden aufgefordert,
mit ihren Klassen dieses grausame Schauspiel anzuschauen. Auch die jüdischen
Männer aus Lahr und Umgebung wurden für einige Wochen in „Schutzhaft
" ins KZ Dachau gebracht.

In Haslach, wo nur noch eine jüdische Familie, Josef und Josefine Bloch und
ihr Sohn Artur, lebte10, wurde das Pogrom am Morgen des 10. Novembers

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