http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1988/0441
Dieser idealtypische Bildungsgang hat nur noch wenig mit dem Werdegang eines
Ritters zu tun, wie er uns in ,Peter von Staufenberg' begegnet.
Fischarts Ideal ist nicht der christliche Ritter, sondern der christliche Bürger.
Das ist auch an den Tugenden zu erkennen, die er in den Vordergrund rückt:
es sind „Sanfftmut", „Freundlichkeyt" und „Miltigkeyt" - ausgesprochen
bürgerliche Sozialtugenden, wie sie das Zusammenleben in einer Stadt erfordert
.
Besonders deutlich zeigt Fischarts Beschreibung der „Miltigkeyt" den Wandel
vom ritterlichen zum bürgerlichen Ethos:
„er wüßt, das Gott nicht gebe
Das Gut, das man drauß prächtisch lebe,
Sonder das man durch solche Schätz
Die dörfftigen allhie ergetz . . .
Jedoch er diß so weißlich that,
Das doch sein Quell drauß litt keyn schad . . .
Also kams jhn nicht an zu theur
Vnd kam den Armen wol zu steur." (Fi 271—284).
Ziel der Miltigkeyt des Ritters ist nicht mehr, wie bei Egenolf,
„daz er fründ und gesellschaft
alle macht unnothaft" (PvSt 595 f.),
es handelt sich auch nicht mehr um das Verteilen des gesamten Einkommens
mit vollen Händen
(„mit dem so Hess er uff gan,
waz er gülte hette" — PvSt 60 f.),
es handelt sich vielmehr um karitatives Handeln im Rahmen des wirtschaftlich
Vernünftigen.
Dieselbe bürgerliche, moralisch-utilitaristische Gesinnung spricht aus den
Worten, mit denen Fischart die Ausbildung des Ritters zum Waidmann kommentiert
. Der Nutzen der Jagd besteht nach ihm darin, daß
„jhm nicht der Müssiggang
Oder Geylheyt thet vbertrang" (Fi 303 f.).
Leitet so „Frau Ehrenmutsamkeyt" den Jüngling bis an die Schwelle des Mannesalters
, so ist sie es auch, die ihm rät, als er wie Herkules am Scheideweg
steht,
„das vil besser sei,
Eyn Zeitlang leiden allerley
Vnd darnach haben stäts darumb
Ewige Ruh vnd ewig Ruhm" (Fi 369-372).
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