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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
68. Jahresband.1988
Seite: 453
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Aeneas, Romulus und Remus), die klassischen Helden (Alexander, Scipio und
Augustus) bis hin zu den Begründern der Geschlechter der Merowinger und
derer von Kleve und Bouillon.

In der Familie des Noe, die von der Theologie der damaligen Zeit als die Ursprungsfamilie
der Menschheit betrachtet wird, steht neben dem Erzvater des
Heils die Erzmutter des Unheils; beide begründen je ihr Reich, das bis zur Gegenwart
Bestand hat und die Welt in zwei gegensätzliche Bereiche scheidet.

In einer Studie zur Religiosität ländlicher Unterschichten des 17. bis 19. Jahrhunderts
hat Hermann Hörger dargelegt, „die innere Struktur des Hexenglaubens
" bestehe „in einem vollständigen Gesellschaftssystem, das seine Autorität
und Macht vom Teufel herleitet . . . und darauf abzielt, das bestehende
christliche, auf Gottes Autorität und Legitimation zurückgehende Gesellschaftssystem
umzukehren, es zu zerstören und eine ,Gegengesellschaft' aufzubauen
"26.

Jobins Vorrede zeigt ein ähnliches Bild, das sich allerdings in zwei wichtigen
Zügen von den aus Bayern berichteten Verhältnissen unterscheidet: erstens
handelt es sich hier nicht so sehr um ein ,Gegenreich', sondern um eine ,Gegengeschichte
', und zweitens vollzieht sich das „hexenraserische Treiben"
nicht nur in der Unterschicht, sondern auch in den oberen, ja, in den höchsten
gesellschaftlichen Schichten.

Da wir davon auszugehen haben, daß die Leser der „Ernewerten Beschreibung
" Angehörige der Bürgerschaft und der patrizischen Oberschicht waren,
können wir uns leicht vorstellen, welche Absicht Jobin mit seiner Vorrede verfolgte
: es ging ihm darum, die Gefährdetheit der Welt so darzustellen, daß
auch die Gebildeten sich als Bedrohte erkennen mußten. Gegen die List des
Widersachers, so sieht es Jobin, ist niemand in der Welt gefeit, auch der Ranghöchste
nicht: „Wann auß des Satans täglich vbender tausendtkünstlicher arglistigkeit
vnd that / etwas stehet zuschliessen / muß man warlich bekennen /
daß er wegen des Menschen Vnglauben vnnd zagheit viel vermag / vnd darüber
keine gelegenheit verschlaffet . . . damit er also einen vnd andern zu fall
bringt: er kan sich doch wol gar in ein Engel des Hechts verwandelen (Jo 36)".

Das ist eine Aufforderung an die Theologen und Juristen der Zeit, grundsätzlich
niemanden von der Möglichkeit, mit dem Satan Umgang zu pflegen, auszunehmen
; und da man glaubte, zwischen Gut und Böse, Göttlichem und
Teuflischem unterscheiden zu können und richten zu müssen, kam es zu jenen
Ereignissen, die zu den beklagenswertesten der europäischen Religions- und
Geistesgeschichte gehören.

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