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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
68. Jahresband.1988
Seite: 472
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jenen Jahren durch die ganze europäische Kulturlandschaft, lernte viele Menschen
kennen, suchte bestimmte Bekanntschaften. 1900 hatte z. B. die große
Pariser Ausstellung die Apotheose der künstlerischen Laufbahn von Auguste
Rodin (1840-1917) gebracht; 1902 organisierte einer von Rodins Mitarbeitern
, Joseph Maratka, in Prag ein kleines Rodin-Fest. Rilke spürte: Mit Rodin
begann etwas unerhört Neues in der Bildhauerei, und in seiner jungenhaften,
offenen Art schrieb er am 28. Juni 1902 nach Paris: „. . . ich habe begonnen,
in der Serie der neuen deutschen Kunstmonographien, die Professor Muther
herausgibt, den Band zu schreiben, der Ihrem Werk gewidmet ist.. ,"12 Rilke
erbat einige Werkphotos und zusätzliche Informationen; die Prager Ausstellung
habe er leider nicht gesehen, dennoch habe sie ihn angeregt, dieses
Rodin-Buch zu schreiben. — Dahinter steckte vielleicht noch die — mehrfach
geäußerte - Absicht, bei Richard Muther (1860 — 1909), dem Kunsthistoriker
an der Universität Breslau, zu promovieren. Auf alle Fälle hatte Rilke schon
einmal angefangen, Französisch zu lernen bzw. zu perfektionieren in der Bremer
Berlitz-School bei Mme Meuris.

Rilke war zielbewußt. Am 28. August 1902 traf er in Paris ein, am 1. September
schrieb er in sein Tagebuch: „Gestern, Montag nachmittag 3 Uhr, war ich
zuerst bei Rodin. Atelier, nie de l'universite 182 ... Er ließ die Arbeit im
Stich, bot mir einen Sessel an, und wir sprachen. Er war gut und mild. Und
mir war, als kennte ich ihn schon immer...". Rilke wurde Rodins Sekretär,
vor allem aber erlebte er ihn bei seiner Arbeit, spürte bei ihm, daß künstlerisches
Schaffen vor allem ernste Mühe ist, die sich der Künstler ständig abringen
muß, Tag für Tag: „II faut travailler toujours". In der Zeit bei Rodin
wurde Rilke erwachsen. Rilke schmiedete bald seine Worte und Verse, wie der
geniale Bildhauer sein Material bearbeitete. Und Rilke bekannte ganz offen:
„Wenn ich sagen soll, von wem ich etwas über das Wesen des Schaffens, über
seine Tiefe und Ewigkeit erfuhr, so sind es nur zwei Namen, die ich nennen
kann: den Jacobsens, des großen, großen Dichters, und den Auguste Rodins,
des Bildhauers, der seinesgleichen nicht hat unter allen Künstlern, die heute
leben.. ."13

Neben Rodin also Jens Peter Jacobsen (1847-1885): Seit 1904 arbeitete Rilke
in Paris an den „Erinnerungsskizzen" eines jungen dänischen Dichters, der als
„moderner Hiob" in der französischen Hauptstadt lebt und dort schließlich
sehr jung — 28 Jahre alt — stirbt. Rilkes „Aufzeichnungen des Malte Laurids
Brigge" sind Texte, die sich der inzwischen 30jährige selbst von der Seele
schreiben mußte; er spürte, daß dieses Werk für ihn zur „Wasserscheide" seines
Lebens werden sollte, und er litt darunter. Die Großstadt Paris wurde für
ihn immer mehr zum existentiellen Problem, und „der Malte" wollte einfach
nicht gelingen: „Diese Stadt ist sehr groß und bis an den Rand voller Traurigkeit
... eine Galeere", in der „Malte" zugrunde geht. Rilke „überlebte" zwar,
aber er war „im Innersten ratlos...".

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