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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
68. Jahresband.1988
Seite: 480
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Diese gallige „Kollegenschelte", diesen Spott über Scheffel und seine „Gemeinde
" mag man köstlich finden. Ganz offensichtlich hat Scheffels anhaltender
Erfolg den Kurgast Rilke doch sehr gestachelt; denn so abfällig sind seine
Urteile selten. Hat die Gleichgültigkeit des Kurpublikums ihm gegenüber ihn
vielleicht doch gekränkt? — Uns soll es hier gewiß nicht um ein wertendes Gegenüberstellen
gehen. Aber es steht fest: Die Beziehungen zwischen Scheffel
und Rippoldsau waren gut fundiert: 1841, gerade 15jährig, war Scheffel erstmalig
in diesem Badeort gewesen, er liebte dort die Abwechslung, auch manche
geräuschvolle Aktivitäten, berichtete selbst Lustiges aus „Augia Rippoldi",
versuchte sich poetisch über Rippoldsaus alte Badgeschichte, vor allem: „Ich
bin dem Heilquell ganz innig attachiert". Auf eine Rehabilitierung war Scheffel
— er war 1913 seit 27 Jahren tot! - gewiß nicht angewiesen in Rippoldsau;
seine Freunde hätten aber Rilkes Kritik wohl als selbstgefällig und eifersüchtig
abgetan. — Noch 1922, am 29. Oktober in Muzot, sagte Rilke mit Bitterkeit
und Ironie — und dies zeigt, wie heftig dieses Scheffel-Erlebnis von 1913 war:
„Das dichterische Ideal der Deutschen war damals der Trompeter von Säckingen
. .." Rilke — Scheffel: Der Unterschied der künstlerischen Maximen ist
in der Tat überdeutlich.

Hedwig Bernhard und die „Freudigkeit der Rippoldsauer Tage"

Der eben beschriebene Seitenhieb auf Scheffel und das „Scheffelhörige" Publikum
wurde von Rilke sicher dem Postgeheimnis anvertraut, und er tat gut
daran. Er suchte ja in Rippoldsau seine Ruhe, er hat sich zum Teil direkt isoliert
. Aber so ganz gemeinschaftswidrig hat er sich wohl doch nicht verhalten,
wie wir wieder aus etlichen seiner Briefe entnehmen können. Und daran hatte
einen wesentlichen Anteil die junge Berliner Schauspielerin Hedwig Bernhard,
die in jenen Wochen gleichzeitig wie Rilke in der „Villa Sommerberg" zur Kur
weilte. Hedwig Bernhard — sie war in jenem Sommer 25 Jahre alt — führte
ihr „Rippoldsauer Tagebuch"; am 28. Juni 1913 schrieb sie: „... mein Gemüt
ist erfüllt von dem Wesen eines neuen mir so köstlichen Menschen. — Rainer
Maria Rilke, der Dichter ist hier, und die Stunden, die ich an seiner Seite verlebe
, sind mir ein Erlebnis von seltener Schönheit, die mich über die wachen
Nächte oder Morgen, wo Angst und Not und Grübelsucht mich lähmen, herausheben
. — Des nachmittags u. abends gehe ich vor dem Hotel auf der Terrasse
mit ihm auf und nieder oder einen kurzen hohen Waldweg entlang wie
gestern abend, u. er spricht mir von sich, seinem Leben, seinem festen Glauben
an Gott. Noch öfter von seinen vielen Reisen, — von Spanien — Toledo
—, das er sehr liebt, von Rußland, von Dänemark u. einem kleinen Schloß in
Holstein. Oder von Italien, wo er Jahre verlebte, in Venedig, Capri, Duino,
wo er lange einsam in einem alten Schloß von Freunden gewohnt. Seine Stimme
ist weich und melodisch, er spricht die Worte wie Melodien, die italienischen
Namen erhalten einen Zauber ohnegleichen in seinem Munde. Er ist zart

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