Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., H 519,m
Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
68. Jahresband.1988
Seite: 496
(PDF, 112 MB)
Bibliographische Information
Startseite des Bandes
Zugehörige Bände
Regionalia

  (z. B.: IV, 145, xii)



Lizenz: Creative Commons - Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0
Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1988/0496
Der lange Brief des Carl Sandhaas, der wohl als Beweis für seine Gemeingefährlichkeit
zu dienen hatte, wirft bereits ein bezeichnendes Licht auf die Lebenswelt
des Sandhaas im Haslach jener Jahre vor 1843, wirft ein Licht auf
die Gründe für den „Wahnsinn" des Malers: Hier schreibt aus heutiger Sicht
kein Verrückter, sondern ein von seiner Umwelt gequälter, gepeinigter und
verspotteter Mensch, im Grunde voller Todesangst, da man ihm Nahrung, Unterkunft
und Zuneigung entzieht, und der allein deshalb, zum Äußersten entschlossen
und in auswegloser Lage, dem Repräsentanten der Stadt, dem
Bürgermeister, Prügel und sogar den Tod androht.

Auch daß Sandhaas aus romantischem Bedürfnis, aus bloßer Liebe zum heimatlichen
Wald sich dort eine Einsiedlerhütte gebaut habe, wie in der Literatur
zu lesen, ist so nicht ganz richtig. Sein Brief macht deutlich, daß es die blanke
Not war, die ihn den Weg in die Wälder nehmen ließ, besser: in den Wald
verjagte.

Brief Sandhaas, Haslach, Febr. 1843, an den Bürgermeister von Haslach, Ruedin
Lieber Herr Ruedin!

Ich muß Sie bitten, als in der Person des Herrn Bürgermeisters meinen Worten einige
Aufmerksamkeit zu schenken, das heißt, darauf zu achten und nicht so zu brüllen wenn
ich mit Ihnen spreche und überhaupt für diesmal allen Scherz zu beseitigen, denn ich
muß Ihnen offen gestehen, Sie riskieren bei Ihrer Art und Handlungsweise, die Sie sich
gegen mich erlauben, auf offener Straße, bei hellem Tage totgeschlagen zu werden,
oder doch zum geringsten so durchgeprügelt zu werden, daß durchaus vielleicht keine
Spur mehr von einem Bürgermeister an Ihnen möchte kennbar seyn, vor allem muß
ich Sie bitten, im Namen der Justiz und Gerechtigkeit, sich über diese und jene Punkte
zu rechtfertigen, und mir nach den Gesetzen und Rechten der Menschheit Genüge zu
leisten, und Gerechtigkeit wiederschaffen zu lassen. Sie haben unter anderm dem
Herrn Kreuzwirt dahier sagen lassen, daß er mir auf Kosten der Stadt nichts mehr geben
solle, . . ., sie haben ferner mehreren anderen Wirten sagen lassen, mir nichts
mehr zu geben auf Rechnung der Stadt, das heißt im Grunde soviel als mich auf Rechnung
der Stadt aushungern zu lassen. Es ist dies leider nicht das erste mal daß man
so mit mir umspielt, man hat ferner den Leuten untersagt, mit mir zu sprechen, ihnen
untersagt sich von mir malen zu lassen, sie würden sich gern von mir malen lassen,
sie dürfen nicht, warum dürfen sie nicht, weil man es ihnen untersagt hat, hier das Beweis
. Man hat ferner den Wirthen untersagt mich zu beherbergen oder Getränke zu reichen
, nicht einmal für bares Geld, man hat mich mehr als einmal gleichsam dem
Elemente preisgegeben und mich genöthigt, bei kalter Witterung im Dezember im
freyen, in Wäldern auch Holzbeugen zu übernachten und wenn ich irgendwo um Unterkommen
suchte den Leuten gesagt, mich mit rauhen Worten abzuweisen, vermutlich
auch auf Rechnung der Stadt, man hat mir ferner nächtlicherweise die Kleider zerrissen
, die Schuhsohlen aufgeschnitten, auch in die Füsse gebrannt, die Knöpfe vom Rock
gerissen, das letzte Hemd vom Leibe herunter gerissen und dann mich abwechselnd
wieder hungern schmachten und darben lassen, man hat mich dann durch Spott und
Hohn auf alle erdenkliche Weise zu reizen, zu necken und zu kränken gesucht. Ich
habe meine Portraits, halb oder ganz, meistens malen müssen, nur um Bier, Brot und
Schnaps zu erhalten, und dies nur alles zusammen genommen, auf Rechnung der Stadt.

496


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1988/0496