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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
69. Jahresband.1989
Seite: 140
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traten in Straßburg die Ratskollegien zusammen, um Maßnahmen gegen die
Pressionen Franz Egons von Fürstenberg zu beraten, der, unterstützt von
Frankreich, die Einräumung des Straßburger Münsters für den katholischen
Kultus verlangte. Im folgenden Jahr 1671 baute Straßburg seine Befestigungen
aus, weil Nachrichten eingetroffen waren, Franz Egon plane einen militärischen
Anschlag auf die Stadt. Im April 1672 erklärte Frankreich den
Niederlanden den Krieg, französische Truppen unter Conde zogen im nördlichen
Elsaß ein. Das spärliche Archivmaterial über Heinrich Jakob von
Fleckenstein, das vorhanden ist, sagt nichts darüber aus, ob er mit seiner
Familie bereits in diesem Zeitabschnitt, also kurz vor dem Datum der Widmungsvorrede
von Proximus und Lympida (21. Juli 1672) aus seinen elsässi-
schen Besitzungen flüchten mußte. Die fast fünfzig Jahre später entstandene
Leichenpredigt sagt so viel, daß er während der französischen Kriege sich
an wechselnden Orten aufhielt. So ist nicht ausgeschlossen, daß er über den
Rhein flüchtete und zur Zeit von Grimmelshausens Widmung mit seiner Familie
auf den Gütern um Renchen lebte. Einzelne Urkunden sprechen vom
Verkauf von Gütern im Elsaß und von Prozessen in dieser Zeit.18 Die Familie
scheint in Not gekommen zu sein. Sie erfuhr das Schicksal politischer
Flüchtlinge, wie es im Roman zuerst an Modestus, dann gegen Ende an seinem
Sohn Proximus demonstriert wird. Und ähnlich wie in der Ausgangssituation
des Romans, wo es heißt, Modestus und sein Sohn Proximus seien
die einzigen noch übrigen ihres Stammes, sind Heinrich Jakob und sein
Sohn Friedrich Jakob die letzten männlichen Glieder der Fleckensteiner, auf
die sich die Zukunft des Geschlechts gründen konnte.19 So spricht auch einiges
dafür, daß die im Roman erzählte Episode um den jugendlichen Proximus
(S. 47ff.), den sich der Leser als siebenjähriges Kind vorstellen soll,
dem 1672 etwa sechsjährigen (1666 geborenen) Friedrich Jakob von Fleckenstein
zuliebe einmontiert worden ist.

Wenn diese Entsprechungen zu gewagt erscheinen, wenn bei Modestus und
Proximus im allgemeineren Sinn an das Flüchtlingsschicksal adliger Herren
vor dem Machtanspruch despotischer Regenten gedacht werden soll, was bedeutet
dann die Vision des Fluchtortes Venedig am Ende des Romans? In der
erzählenden und historiographischen Literatur des 16. Jahrhunderts, bei
Marcus Sabellicus, Jacobus Sannazaro, Petrus Crinitus — Autoren, die
Grimmelshausen gelegentlich zitiert — und schließlich in Garzonis Piazza
Universale, die er über lange Strecken ausgeschrieben hat, galt Venedig als
rares Beispiel eines Staates, in dem der Interessenausgleich zwischen den
Ständen, vor allem zwischen dem Geburtsadel und dem Bürgertum, gelungen
war. Dieser Ausgleich, so wurde in der Regel argumentiert, war vor allem
durch die freiwillige Verpflichtung des Adels auf das Gemeinwohl und
durch die strikte Einhaltung der Gesetze durch alle Stände erreicht worden.
Die Republik blieb dadurch vor Unruhen bewahrt, hatte die 'tranquillitas
regimini' als Ziel der ratio Status erreicht.20

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