Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., H 519,m
Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
69. Jahresband.1989
Seite: 455
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massen. Mit welchem Hochgefühl diese Mädchen daherschritten, mit welcher
Würde! Man sah es ihnen an, daß sie aus einem wohlhabenden Thal
kamen, in dem es Bauern giebt, die mit manchem Rittergutsbesitzer des
Nordens konkurrieren könnten."

Vermarktung

Aus allem, was ich geschildert habe, dürfte deutlich geworden sein, daß die
Geschichte der Bollenhuttracht auch die ihrer von außerhalb initiierten Pflege
und Vermarktung ist. Eines läßt sich nicht vom anderen trennen. Viele
Faktoren haben zu dem Bild beigetragen, das wir uns von der Tracht
machen.

Wenn sich Trachtenschützer heute darüber aufregen, daß „miniberockte und
gestiefelte Fremde mit Bollenhüten aufkreuzen",33 dann ist der Grund für
diese Aufregung, wie wir gesehen haben, so neu nicht. Angefangen hat damit
ja die badische Großherzogin Luise und mit ihr die Damen der Kurgesellschaft
in Rippoldsau und im Kinzigtal. Auch Heinrich Hansjakob hat
vierzig Jahre später die Sommerfrischlerinnen aufgefordert, sich ,,in dieser
schmucken Tracht sehen (zu) lassen", um damit die Bauern im Trachtentragen
zu bestärken.34 Die Aneignung der Tracht oder von einzelnen Teilen
durch Fremde hat also Tradition.

Der Tracht selbst hat sie nichts genützt, wie schon der Pfarrer Richard Nu-
zinger wußte, wenn er 1896 schrieb: ,,Die Gutacher werden modern, und
das bedeutet den Untergang ihrer Tracht. Denn eine Tracht fühlt sich nur
wohl und erhält sich auf die Dauer nur in der Verborgenheit und Abgeschlossenheit
; wenn sie aber in die Öffentlichkeit gezerrt, auf den Markt
geschleppt und zum Gemeingut wird, dann ist ihre Zeit vorbei."35 In Anspielung
auf die Bemühungen des ,,Volkstrachtenvereins Freiburg und Umgegend
" spottet Nuzinger: „Wenn es so weiter geht, wird man die allein
echte Gutacher Tracht nur noch in Freiburg antreffen."

Dem Trachtentragen durch Kurgäste kann Nuzinger nur teilweise positive
Aspekte abgewinnen. Aus seinen Beobachtungen sei wörtlich zitiert:36

,,Es giebt . . . Kurgäste, die sich meist nur einige Tage in der Gegend aufhalten
, und die sich während dieser Zeit möglichst gut amüsieren wollen.
Daß dabei auch die Bauern den Stoff zum Amüsement hergeben müssen, ist
klar. Da werden dann die Bauern mit Gönnermiene als ,Herr Vetter' oder
bloß als ,Vetter' angeredet und ihnen leutselig auf die Schultern geklopft, da
kann noch einer, der in der Stadt als ein bedeutungsloses Null herumläuft,
etwas aus sich machen und den großen Herren spielen, da wird das Maul
weit aufgerissen und wichtig gethan, und solche Sommervögel können es
dann am allerwenigsten lassen, auf die auffallendste Weise mit ihren geliehe-

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