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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
69. Jahresband.1989
Seite: 521
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ten bleiben, das bedeutet Hungersnot. Der Krieg erzeugt Bestien auf allen
Seiten." „Räuberisch": das entsprach der Bewertung Lenins: „Das ist ein
ungeheuerlicher Raubfrieden".10

Am 8. Mai 1919, am Tag nach der Aushändigung des Vertragswerkes an die
deutsche Friedensdelegation, lautete die Schlagzeile auf der Titelseite der
„Offenburger Zeitung": „Deutschlands Schmachfrieden" und Monsch notierte
: „Ein historisch denkwürdiger Tag, aber ein Tag erniedrigender, uns
in Versailles auferlegter Friedensbedingungen, die zeigen, daß die Diplomaten
unserer Gegner gerade so mit Lug und Trug umgehen wie es unsere feudalen
Staatsmänner während des Krieges mit dem deutschen Volk machten.
Wenn wir die Bedingungen annehmen, sind wir wirtschaftlich ruiniert. All
das Gerede der 14 Wilsonpunkte, vom Völkerbund, von keinen Annexionen,
Volksabstimmung war lediglich List und Betrug. Ebenso war's Lüge, der
Krieg habe nur dem kriegstollen Kaiser und dem preußischen Militarismus
gegolten. Beide Nebel sind ausgerottet und dennoch diese Beutegier."

Reaktionen ließen auch in Offenburg nicht lange auf sich warten: als tags
darauf eine aus Straßburg ausgewiesene Badnerin mit einem französischen
Transportsoldaten kokettierte und dieser sie küßte, empörte sich das Publikum
derart darüber, daß die Frau verprügelt und bis in die städt. Wechelstu-
be verfolgt wurde. Ohne Polizeischutz wäre sie gelyncht worden!

Einige Tage später, am 15. Mai, sagte ein Deutscher einem Franzosen seine
ungeschminkte Meinung über seine Landsleute. Jedem gehöre der Hals abgeschnitten
. Als schließlich ein deutscher Feldwebel zugunsten des Franzosen
eingriff, beschwerten sich mehrere über dessen Verhalten!

Und ähnlich war es dann später während der französischen Besatzungszeit,
wo persönliche Beziehungen zu den Soldaten als „Vaterlandsverrat" gewertet
und gebrandmarkt wurden.

Am 28. Juni wurde der Vertrag von den Deutschen im Spiegelsaal von Versailles
unterzeichnet, und zwar ebenso zähneknirschend, wie die Sowjetregierung
den Friedensvertrag von Brest-Litowsk annehmen mußte. Lautete
die Schlagzeile der „Offenburger Zeitung" vom 13. Mai 1919: „Das deutsche
Volk gegen den Gewaltfrieden", so könnte man eine Retourkutsche der
Weltgeschichte vermuten, hatte doch das Zentrale Exekutivkomitee der Russischen
Sowjetrepublik genau vor einem halben Jahr, am 13. 11. 1918, erklärt,
daß der „Gewaltfrieden von Brest-Litowsk" beseitigt sei. Gegen jenen Friedensvertrag
hatten in der Reichstagssitzung vom 22. März 1918 lediglich die
Unabhängigen gestimmt.

Das Pendel war zurückgeschwungen, doch die wenigsten Deutschen waren
wohl in der Stimmung, Vergleiche zwischen den beiden Verträgen anzustellen
:

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