http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1989/0529
Kehler Friedensgedicht
Doch Werneke konnte auch zarte Töne anschlagen, wie 1929 in seinem
Gedicht:
,,Nicht hassen, sondern lieben!"
Ich wandelte den Rhein entlang
An einem Sonntagmorgen.
Der Erde und des Himmels Glanz
Verscheuchten alle Sorgen.
Die Schwarzwaldberge sah ich hier
Und die Vogesen drüben —
Da sagte ich im stillen mir:
Nicht hassen, sondern lieben!
Der Strom in seinem ew'gen Gang,
Er küßte gleicherweise
Den fränk'schen und den deutschen Strand,
Laut rauschend oder leise.
Auf beiden Ufern, dort wie hier,
Lag Gottes heller Frieden —
Da sagte ich im stillen mir:
Nicht hassen, sondern lieben!
Im Erlenbusch die Amsel sang,
Und als sie ausgesungen,
Da ist vom anderen Ufers Rand
Ein Gegenlied erklungen.
Und hier wie dort ins Luftrevier
Die Lerchen jubelnd stiegen —
Da sagte ich im stillen mir:
Nicht hassen, sondern lieben!
Des Stromes Brücke schlang ihr Band,
Aus Stein und Stahl gewoben,
Vom deutschen Gau zum Frankenland,
Ein luft'ger Friedensbogen;
Man wandelte in Sonntagszier
Nach hüben und nach drüben —
Da sagte ich im stillen mir:
Nicht hassen, sondern lieben!
Und höher stieg, nach Westen hin,
In Glorie die Sonne,
Auch dort zu sein die Spenderin
Von Leben und von Wonne,
Beglückend dort, beglückend hier,
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