Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., H 519,m
Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
70. Jahresband.1990
Seite: 445
(PDF, 137 MB)
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Erstaunlich ist Kaspers Belesenheit, en passant Schillers „Geschichte des
Dreißigjährigen Krieges" zu zitieren, brillant sein satirisch-literarisches
Wortspiel. Die drei Wurzeln seines Engagements, sein Eintreten für die Kirche
, für die Juden und für den Pazifismus werden sichtbar. Kasper gibt bei
der Vernehmung zu Protokoll, er habe sich als Katholik durch Artikel im
„Führer" und im „Stürmer" verletzt gefühlt. Er habe mit diesem Brief aufklärend
wirken wollen, damit die Menschheit vom Krieg ablasse. Die Befürchtungen
Kaspers waren durchaus begründet: 1935 war die allgemeine
Wehrpflicht eingeführt worden, 1936 wurde die bislang entmilitarisierte Zone
besetzt, im Widerspruch zu den Bestimmungen des Versailler Vertrages
lief die Kriegsproduktion an. Andererseits markierten die Nürnberger Gesetze
von 1935 die juristische Grundlage für die Entrechtung und damit Verfolgung
der Juden. Die kirchenfeindliche Seite wurde in einer Kampagne
gegen religiöse Orden wegen angeblicher Devisenvergehen und Sittlichkeitsdelikte
manifest. Vor Ort in Nußbach erlebte Kasper die Einschränkung
der katholischen Jugendarbeit und das DJK-Verbot 1935 mit.19

Das Sondergericht Mannheim verurteilte Kasper unter dem Vorsitz eines
Dr. Seitz zu einer sechsmonatigen Gefängnisstrafe wegen Verstoßes gegen
das „Heimtückegesetz". Die juristische Begründung dafür ist mehr als windig
: „Der Angeklagte mußte damit rechnen, daß sein Brief vom „Führer"
veröffentlicht werde, wozu er anscheinend sogar bestimmt war, daß jedenfalls
eine weitere Öffentlichkeit von diesem Brief Kenntnis erhalten werde."
Falsch ist hier nicht nur die deutsche Grammatik. Als ob Nazi-Blätter jemals
kritische Leserbriefe veröffentlicht hätten!

Ein Brief an den ,,Stürmer"

Am 20. März 1938 schreibt Wilhelm Kasper erneut — diesmal an Julius
Streicher, den Schriftleiter des wüsten antisemitischen Hetzblattes „Der
Stürmer". Zu Beginn seines Briefes greift er die Propagandaslogans Streichers
auf, die lauten: „Die Juden sind schlimmer als die Teufel", „sie sind
die Verderber der Menschheit" und „Alles Böse kommt von den Juden".
In Form eines Traumes versucht Kasper, das Stereotyp von der angeblichen
Judengefahr lächerlich zu machen, aber auch auf die Auswirkungen der Judenhetze
für Deutschland hinzuweisen. Am Ende steht eine Art jüngstes
Gericht, das unter der Führung von Leo Blum (französischer Ministerpräsident
und elsässischer Jude) gegen Streicher und seinesgleichen veranstaltet
wird: „Als die Franzosen über die Grenze rückten, gab er (Blum) ihnen den
strengen Befehl wie einst David: „Erhaltet mir meinen Sohn Absalom". Erhaltet
mir den Schriftleiter des „Stürmer". Als die einstigen Rothosen in
Nürnberg ankamen, war es höchste Zeit. Eine Rotte krummnasiger Juden
hatte ihn schon in ihrer Mitte und bearbeitete ihn dermaßen, daß er nicht

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