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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
71. Jahresband.1991
Seite: 77
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Die Vita der Gertrud von Ortenberg —
Historische Aspekte eines Gnaden-Lebens

Hans Derkits

Die Lebensbeschreibung Gertruds von Ortenberg ist das bisher umfangreichste
Zeugnis zur Offenburger Stadtgeschichte des Spätmittelalters. Sie
ist aber kein historisches Dokument im engeren Sinn, sondern ein literarisches
. Die Hauptintentionen des Textes sind Belehrung und vor allem Erbauung
der Leser (oder meist wohl: Hörerinnen).

Das Ziel dieser Untersuchung ist die erste historische Sichtung eines Textes,
dem eine historische Sicht auf die berichteten Begebenheiten sehr fern liegt.
Solches Vorgehen verlangt eine kurze Begründung.

Ein wichtiges formales Charakteristikum der Vita ist ihre Vorgeprägtheit
durch die literarische Tradition im Hinblick auf Inhalt und Ausdrucksmittel:
das betrifft die Motivik und die zahlreichen Topoi ebenso wie Wortmaterial
und Kompositionsform. Trotz dieser unverkennbaren Prägung durch die
literarischen Muster und Strukturen der Legende, häufig vorkommender
bestimmter Bilder mit feststehender Bedeutung, des in erster Linie thematischen
und nicht chronologischen Anordnungsprinzips der einzelnen Episoden
und einer apsychologischen Betrachtungsweise der Vita zeigt sie auch
deutliche historische und biographische Ansätze.

Es ist eine Konsequenz der genannten Texteigenheiten, daß GvO keine direkte
historische Information gibt. Nicht eigentlich zur Handlung gehörende
Ereignisse erscheinen darin nur beiläufig.

Sie stehen nie um ihrer selbst willen, sondern sind immer einer bestimmten
Aussageabsicht und literarischen Form untergeordnet. Die einzelnen Episoden
wurden im Zuge der Bearbeitung bereits nach diesem — ihnen als historischen
Ereignissen fremden — Kriterium ausgewählt und angeordnet, so
daß eine diese starke literarische Komponente nicht berücksichtigende historische
Auswertung einer Verfälschung gleichkäme.

Im Unterschied etwa zum ,,Gnaden-Leben des Friedrich Sunder"2, einem
in vieler Hinsicht vergleichbaren Text, werden Gertrud und Heilke (ihre Begleiterin
) aber doch in einer zeitlich und geographisch konkret faßbaren,
außerhalb ihrer selbst real existierenden Welt beschrieben. Eine biographische
und historische Auswertung des Textes erscheint — im Gegensatz zur
Sunder-Vita, deren Schauplatz allein ein innerer Raum, die ,sel', bei fast
vollkommener Vernachlässigung der realhistorischen Gegebenheiten3
ist —, hier gerechtfertigt.

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