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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
71. Jahresband.1991
Seite: 338
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Eine solche Intervention bezweckte die Kontrolle und Steuerung von Geselligkeitsbedürfnissen
. Die Freizeitgestaltung wurde zum Schnittpunkt politischer
, ökonomischer und moralischer Auffassungen und Brennpunkt
heftiger Kontroversen.81

Bei der Suche nach Maßnahmen zur Zügelung der Alltags- und Festtagsbedürfnisse
konzentrierten sich die staatlichen und kirchlichen Eingriffe auf
die Unterdrückung und Reglementierung des Brauch- und Festwesens.82 In
einer Gesellschaft, in der die katholische Kirche vorrangig Weltanschauung
und Verhaltensregeln gab, bestimmte das Kirchenjahr am markantesten
Festlichkeit und Lebensgenuß. Weltliche Vergnügungen folgten eng dem religiösen
Kult. Das galt an Kirchweih, dem Höhepunkt des Jahres. Es war
das „lustig ausgelassenste Fest des Jahres, das gar häufig die Nothigkeit
und Freudlosigkeit eines ganzen Jahres durch Übermaaß auszugleichen hatte
."83 Zu den jährlich wiederkehrenden Festen kamen dann und wann Kirchenjubiläen
, Altarweihen und Wallfahrten. Religiöse Feiern und weltliche
Feste, Frömmigkeit und pralle Lebenslust vermischten sich auch bei den
Übergangsriten, die von der Kirche zelebriert wurden, aber zugleich sozial
vollzogen werden mußten.

Taufen führten von der Kirche unmittelbar in eine fröhliche Wirtshausrunde
. Hochzeiten reicher Bauern vereinten fünfzig, ja hundert und mehr Gäste
beim Schmaus. Leichenbegräbnisse, wichtigster Ausweis der Ehre eines
Hauses, boten ein streng zeremoniöses Schauspiel, üppiges Essen und Trinken
und lebhafte Geselligkeit.84

Wie das in Rammersweier aussah, erzählt uns Joseph Belli:85

,,Zu den Kinderfreuden gehörten besonders die kirchlichen Feste, die Prozessionen und Bittgänge
. Am beliebtesten war der große Bittgang um den ganzen Gemeindebann in der sogenannten
Kreuzwoche im Frühling. Das dauerte von früh sechs Uhr bis in den Nachmittag
hinein. Zur Wegzehrung wurde uns Kindern jedesmal ein Botteichen Wein. Küchlein und
Speck, auch ein paar Kreuzer zugesteckt. Dabei geben wir uns die erdenklichste Mühe, Gottes
Segen und Schutz auf die heimatlichen Flure herunterzuschreien."86

Während der Pausen wurde, so Belli, Wein und „Chriesiwasser" (Kirschwasser
) getrunken, oftmals füllten die Prozessionsteilnehmer ihre Flaschen
im Wirtshaus wieder auf.

„Manchmal kam es dabei zu einer richtigen Hauerei, ein andermal warfen sie eine Heiligenstatue
, die sie zu vieren auf den Schultern trugen, in den Kleeacker und schrien: .Wer nicht
laufe kann, der braucht au nit mit!'"

Bei größeren Wallfahrten, zur Kirche Maria Zell, ruhten sich die Wallfahrer
unter den Bäumen aus, „dann entfaltete sich bei den Großen oft ein recht
weltliches Treiben. In Zell selbst mußten die frommen Waller mit Massenquartieren
vorlieb nehmen. Ringsum an den Wänden und in der Mitte lagen
die Strohsäcke im großen Tanzsaal des „Bären". Hier lag ein Völklein kunterbunt
durcheinander."

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